Das Essen im Shaolin-Kloster  (5)

Die heute im Shaolin-Kloster gepflegte Essenstradition blickt auf eine Geschichte zurück, die die des Klosters selbst zeitlich bei weitem übersteigt. Sie ist den aktuellen Erfordernissen und gleichzeitig den buddhistischen Regeln und Traditionen verpflichtet. Um diesen Teil der Shaolin-Kultur als ebensolchen zu erkennen und in seinen Eigenheiten zu verstehen, ist es erforderlich, sich auch mit seinen „Wurzeln“ zu beschäftigen. Aufgrund des dadurch bedingten Umfangs des Themas ist der Artikel in fünf Teile gegliedert:
1. Das Essen im Buddhismus --> link
2. Die klösterliche Essenstradition im han-chinesischen Buddhismus --> link
3. Geschichte - Geschichten - Legenden zur Essenstradition des Shaolin-Klosters  --> link
4. Die Küche im Shaolin-Tempel - Shi Xingci - Ernährung der Shaolin-Mönche - Shaolin-Rezepte  --> link
5. Guotang - Die gemeinsamen Mahlzeiten der Shaolin-Mönche


5. Guotang – Die gemeinsamen Mahlzeiten der Shaolin-Mönche


Das Wort „Guotang“ (过堂guòtáng) bedeutet in wörtlicher Übersetzung „zur Halle hinübergehen“. Mit ihm bezeichnen die Mönche die gemeinsame Einnahme der Mahlzeiten in der Speisehalle des Klosters am Morgen und am Mittag eines Tages. 



1 – Entstehungsgeschichte (发生史 fāshēng shǐ)
2 – Der Heilige Mönch (圣僧 shèng sēng)
3 – Die Sitzordnung   (席次 xícì)
4 – Die fünf Kontemplationen   (五观 wǔ guān)
5 – Das Speiseopfer   (施食 shīshí)
6 – Das Gelöbnis   (发愿 fā yuàn)
7 – Regeln und Etikette  (规矩 guījǔ)
8 – Die 8 Vorteile der gemeinsamen Mahlzeiten“ (八种好处 bā zhǒng hǎochù)
9 – Der Ablauf  (过程  guòchéng)


1 – Entstehungsgeschichte  (发生史 fāshēng shǐ)


Der Ursprung dieses Brauchs  führt bis in die Lebzeiten des Buddhas zurück. Anfangs bereiteten die Jünger des Buddha, wenn sie von ihren Almosengängen zum Aufenthaltort der Gemeinschaft zurückkamen, Matten auf dem Boden aus und begannen zu verschiedenen Zeiten mit dem Verzehr der erhaltenen Speisen. Es kam zu Ungleichheit und Unzufriedenheit unter den Mönchen, so beschwerte sich einmal Rahula, der Sohn des Buddha, darüber, dass Sariputra, einer der älteren Mönche, durchweg von den Spendern das beste Essen erhielt. Auch frustrierte der Mangel an Ordnung die Laien, und es kam zu Beschwerden seitens der die Mönche versorgenden Spender. Diese störte insbesondere, dass, wenn sie die Mönchsgemeinschaft zum Essen eingeladen hatten, die Mönche zu unterschiedlichen Zeiten erschienen oder mit der Einnahme des Essens zögerten, weil keiner wusste, wann sie beginnen sollten.
Um die zahlreichen Probleme zu beseitigen, traf der Buddha verschiedene Anordnungen, mit denen die gemeinsame, geregelte Einnahme der Mahlzeiten der Mönchsgemeinschaft begann. Er ordnete die Einführung regulärer Essenszeiten an und legte fest, dass mit Hilfe eines Klanginstruments alle Mönche zu den Mahlzeiten herbeigerufen würden. Er bestimmte, dass das Essen gleichmäßig unter allen aufgeteilt werden solle und dass vor Beginn des Essens ein Mönch laut verkünden solle: „saṃprāgata!“ ( „僧跋“ sēngbá oder „三钵罗佉哆“ sānbōluōqūduō). Dem tangzeitlichen Übersetzermönch Daoxuan zufolge heißt das soviel wie „(Das Essen ist) gleichmäßig ausgeteilt“. Dieser Ausruf sollte  bewirken, dass die Mönche gemeinsam mit dem Essen beginnen und die Spende der Speise zeitlich synchron empfangen (等供 děnggōng). Im Shaolin-Kloster ist er heute durch die Aufforderung des Karmadana "Große Gemeinschaft, bediene dich"  (大家请用 dàjiā qǐng yòng) ersetzt.
Mit der Zeit folgten viele weitere Anordnungen des Buddha, die später ihren Niederschlag in den Vinaya-Regeln fanden.

Zur Zeit der Östlichen Jin-Dynastie (317 – 419) entstand in China die „Mönchshalle“ oder „Sangha-Halle“, in der die Mönche auf Plattformen meditierten, schliefen und im Schneidersitz die Mahlzeiten einnahmen. In der Tang-Dynastie (618 – 907) war die Mehrheit der Klöster mit solchen Plattformen ausgestattet. Detaillierte Vorgaben zur Einnahme der Mahlzeiten auf einer Plattform in der Meditationshalle finden sich in den „Reinen Regeln der Chanklöster“ (禪院清規 chányuàn qīngguī oder 崇寧清规chóngníng qīngguī) von 1103. Der Brauch, mit überkreuzten Beinen auf einer Plattform sitzend die Mahlzeiten einzunehmen, wurde jedoch schon zur Tang-Zeit von dem Mönch Yijing (义淨 yìjìng, 635-713) heftig kritisiert. Yijing galt aufgrund seiner 25 Jahre langen Reise durch Indien und Südasien als Kenner der dortigen buddhistischen Bräuche und verfügte über ein hohes Maß an Autorität. Er erklärte, dass in Indien die Mönche auf Stühlen von ca. 18 cm Höhe mit einer Sitzfläche von ca. 30 qcm saßen, wobei ihre Beine vom Stuhl herabhingen. Mit der Einführung des Buddhismus in China hätten die Mönche erst die korrekten indischen Methoden übernommen, doch in der Jin-Dynastie sei der Fehler aufgekommen, mit überkreuzten Beinen auf Plattformen sitzend die Mahlzeiten einzunehmen. Yijing verurteilte dies als einen Bruch mit den ursprünglichen Regeln, war jedoch, was eine Änderung dieses Brauchs anging, recht pessimistisch.

Durch die Erbauung gesonderter Hallen für die Einnahme der Mahlzeiten wurde dieser „Regelbruch“ beendet, und heute verfügt jedes größere buddhistische Kloster in China über eine Speisehalle mit Tischen und Sitzbänken.



2 – Der „Heilige Mönch“ (圣僧 shèng sēng)


Im Zentrum der Mönchshalle befand sich der Platz für den "Heiligen Mönch". Nach der Trennung der Mönchshalle in Speisehalle und Meditationshalle wurde die Tradition, einen Platz für den „Heiligen Mönch“ einzurichten, in beiden Hallen bis in die heutigen Tage beibehalten.

Der Begriff „Heiliger Mönch“ erscheint schon in Yijings Bericht über seine 671 begonnene Reise durch Indien und Südasien. In seiner Beschreibung einer Einladung von Mönchen zu einer Mahlzeit im Hause des Spenders notiert er: „Während der Darreichung der Mahlzeit, nachdem sich die Mönche Hände und Füße gewaschen und sich vor der Versammlung aufgestellt haben, bringen die Spender (der Mahlzeit) erst dem „Heiligen Mönch“ ein Opfer.“ Eine nähere Erklärung oder Beschreibung des „Heiligen Mönchs“ lässt Yijing zwar aus, doch er berichtet von seiner Beobachtung, dass in der Residenzen der Mönche entweder in einem Schrein oder in einem Fenster eine heilige Statue aufgestellt wurde, und dass diese den Buddha repräsentieren sollte. Er erläutert zudem, dass es rechtens sei, ein Bildnis des Buddha in den Mönchsquartieren aufzustellen, da es den Mönchen, die zur Zeit des Buddha lebten, erlaubt war, mit ihm in einem Raum zu schlafen.

Vieles spricht für die Annahme, dass der „Heilige Mönch“ den Buddha repräsentieren sollte, steht er doch für den ranghöchsten aller Mönche der Sangha. In den „Reinen Regeln der Chanklöster“ von 1103  wird er in nahezu jedem Kapitel genannt, was darauf hinweisen mag, dass er in der Zeit der Song-Dynastie ein besonders hohes Maß an Verehrung genoss. Den „Regeln“ zufolge werden zahlreiche Tätigkeiten im Kloster von Verneigungen und anderen Reverenzen gegenüber dem „Heiligen Mönch“ begleitet, es werden ihm Weihrauch, Kerzen,  Speisen und Tee geopfert und er verfügt über einen eigenen Diener. Doch darüber, in welcher Form der „Heilige Mönch“ repäsentiert wird, schweigen auch diese Regeln und spätere Regelwerke sich aus.

Dabei waren seinerzeit schon mehrere Repräsentanten des „Heiligen Mönchs“ vorhanden, allen voran: Pindola (宾头卢 bīntóulú) und Maitreja (文殊师利 wénshū shīlì).

Die Verehrung Pindolas und die Errichtung seiner Statue in der Speisehalle am Platz des „Heiligen Mönchs“ wird auf den großen Sutren-Übersetzer Dao’an (道安 dàoān, 312 – 385) zurückgeführt. Die diesbezügliche Legende ist in den 519 von Huijiao kompilierten „Biographien hervorragender Mönche“ (高僧传 gāosēng zhuàn) festgehalten. Ihr zufolge erschien eines Tages ein mysteriöser Mönch in Dao’ans Tempel. Der Mönch ging nachts in den Hallen durch die Risse ihrer Fenster ein und aus. Er versicherte dem um seine Erleuchtung besorgten Dao’an, dass er die Befreiung erlangen würde, wenn er den „Heiligen Mönch“ zum Baden einlade, zeigte ihm wie dabei vorzugehen sei, und gab ihm eine Vision seiner Zukunft im Tushita-Himmel des Bodhisattva Maitreja. Kurz vor seinem Tod träumte Dao’an von einem bärtigen Mönch mit langen Augenbrauen, der ihm versicherte, dass seine Anmerkungen zu den Sutren korrekt seien.  Zudem erzählte ihm der Mönch, dass der Buddha ihm den Eingang ins Nirwana verboten habe und dass er Dao’an helfen werde, den buddhistischen Glauben zu verbreiten, wenn Dao’an ihm dafür auf den Altaren im Tempel Speiseopfer bringe.  Erst nach Dao’ans Tod gelang es seinem Schüler Huiyuan (慧远 huìyuǎn) durch die fertiggestellte Übersetzung des Sarvastivada-Vinaya den Mönch als Pindola zu „identifizieren“.  

Im 5. Jahrhundert wurde die Hagiografie Pindolas übersetzt, mit genauen Anweisungen für die korrekte Vorgehensweise bei der Einladung Pindolas zum Baden oder Speisen. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der „Biografien herausragender Mönche“ soll der Kult um Pindola schon ausgebildet gewesen sein. Er wurde außerdem offiziell von dem Kaiser Wu der Liang-Dynastie (502-557) unterstützt, der nach einem Speiseopfer an Pindola von einer Krankheit genesen sein soll.

Nach einer Enzyklopädie aus dem Jahr 669, dem  „Perlenwald im Dharma-Garten“ (法苑珠林  fǎyuàn zhūlín), gab es eine konkrete bildliche Darstellung des „Heiligen Mönchs“ nicht vor 471. Sie soll erst durch den Mönch Fayuan des Zengsheng-Klosters (正胜寺僧法愿 zhèngshèng-sì sēng fǎyuàn), den Mönch Fajing des Zhengxi-Klosters (正喜寺僧法镜 zhèngxǐ-sì sēng fǎjìng) und andere aufgekommen sein.

Der Mönch Fazang (法藏 fǎzàng, 643–712) schreibt in seinem Kommentar zur Brahma-Netz-Sutra, dass in den indischen Hinaya-Tempeln Pindola als höchster Vertreter der Mönche den ranghöchsten Platz (des „Heiligen Mönchs“) einnimmt, während in den Mahajana-Tempeln Manjushri  der höchste Sitz zukommt. Die Verehrung Manjushris wurde besonders von Amoghavajra (不空三藏 bùkōng sānzàng, 705–774) propagiert, einem tantrischen Mönch, der ebenfalls ein bedeutender Übersetzer und zudem einer der politisch einflussreichsten Mönche in der chinesischen Geschichte war. Der Kult des Manjushri war eins der zentralen Themen im esoterischen Buddhismus von Amoghavajra. Er übersetzte 8 Texte über Manjushri und ließ an verschiedenen Orten ihm geweihte Tempel und Hallen errichten. 769 richtete er eine Petition an den Kaiser, in der er darum bat, in den Refektorien der buddhistischen Klöster Chinas anstelle der Statuen des Pindola jene des Manjushri aufstellen zu lassen und die Verehrung Manjushris als Beschützer von China einzuführen.


In den „Rekonstruierten Reinen Regeln von Baizhang“ (敕修百丈清規 chìxiū bǎizhàng qīngguī) aus der Zeit der Yuan-Dynastie ist der Arhat Kaundinya (憍陈那 qiáochenna) Inhaber des ranghöchsten Platzes.

In der heutigen Zeit wird in vielen Chan-Klöstern Chinas die Position des „Heiligen Mönchs“ mit einer Skulptur des Maitreija (弥勒佛 mílè fó) in seiner Gestalt als „Mönch mit dem Sack“ (布袋和尚 bùdài héshàng) besetzt, so auch im Refektorium des Shaolin-Klosters. 




3 – Die Sitzordnung  (席次 xícì)


Im Zentrum der Speisehalle des Shaolin-Tempels ist am Platz des „Heiligen Mönchs“ die Statue des Maitreja-Buddha aufgestellt, hinter ihr befindet sich der Sitz des Abtes. Links und rechts des zentralen Bereichs sind Tische und Sitzbänke in parallel zur Mittelachse ausgerichteten Reihen aufgestellt. Die Sitzplätze dieser Tischreihen unterliegen einer Rangordnung, die in zwei Richtungen absteigt: vom Platz direkt neben dem Abt zum ihm gegenüberliegenden Halleneingang hin und von der Reihe die der Zentralachse am nächsten gelegen ist, zur äußersten Reihe hin. Die Mönche befolgen eine  Sitzordnung entsprechend ihrer Anciennität. Diese richtet sich nach dem Zeitpunkt ihrer Mönchsweihe, nach ihrem „Dienstalter als Mönch“. Novizen und Kampfmönche sitzen im Allgemeinen in den hinteren Reihen, ebenso jene Besucher des Tempels, die zusammen mit der Mönchsgemeinschaft die Mahlzeiten einnehmen dürfen. Also: je höher der Rang, desto näher zur Mitte und zum Abt hin. Desweiteren gibt es in Bezug auf die Rangordnung eine seit Jahrhunderten bestehende Aufteilung in Ost- und Westhälfte (vom zentralen Platz des Abtes bzw. des „Heiligen Mönchs“ aus), die Zuweisung der Plätze zu den jeweiligen Hälften richtet sich nach den internen organisatorischen Klosterstrukturen. So sitzen z.B. in der Osthälfte der Klostervorsteher (监院 jianyuan) , der Karmadana (维那 wéinà) und der Diener des Abtes (侍者 shìzhě) in der ersten Reihe.



4 – Die fünf Kontemplationen über das Essen   (食存五观  shícún wǔ guān)




1.    計功多少
        量彼来處
2.    忖已德行
        全缺應供
3.    防心離渦
        貪等為宗
4.   正事良藥
        為療形枯
5.   為成道業
        應受此食


Die fünf Kontemplationen über das Essen

1. Das Essen vor mir ist ein Geschenk der Natur, die mit all ihren Elementen an seiner Entstehung beteiligt war. Es kostet  Anstrengung und Mühe, die Nahrungsmittel und das aus ihnen angefertigte Essen herzustellen (Anpflanzung, Pflege, Ernte, Transport, Lagerung, Verarbeitung, Zubereitung etc.).
2. Angesichts der eigenen Unvollkommenheit und der Flüchtigkeit meines Seins bin ich dankbar für das Erhalten dieser Mahlzeit.
3. Ich nehme das Essen  konzentriert und aufmerksam zu mir, nicht „unbewußt und nebenbei“ und vermeide Gier wie auch anderes nicht heilsames Verhalten.
4. Diese Mahlzeit ist eine Medizin zum Erhalt meines jetzigen Lebens, sie hilft, Schwäche und Krankheit zu vermeiden.
5. Ich nehme sie zu mir, um den Weg zu verwirklichen und zu vollenden.

Vor und während dem Essen soll der Mönch die „fünf Kontemplationen über das Essen“ oder die „fünf Betrachtungen des Essens“ in seinem Geist behalten. Ihre Wichtigkeit zeigt sich unter anderem darin, dass die Speisehalle auch als  „Halle der fünf Kontemplationen“ (五观堂 wǔ guān táng) bezeichnet wird. Sie sollen dem Mönch helfen, beim Essen eine von den drei Geistesgiften (Gier, Haß, Verblendung)  freie Geistesverfassung zu bewahren, sich den Wert der Nahrung bewußt zu machen und mit innerer Ruhe und Aufmerksamkeit die Nahrung zu sich zu nehmen. In den Chan-Klöstern wird die Einnahme der Mahlzeiten (mindestens) ebenso wie andere alltägliche Tätigkeiten als eine Erweiterung der Meditation auf alle Bereiche des menschlichen Lebens aufgefasst. So wird den Mönchen auch dazu geraten, seinen Geist beim Essen auf die Frage „Wer ist der, der jetzt isst?“ (“吃饭的是谁”) zu richten, in Anlehnung an die chan-buddhistische Tradition, sich bei der Meditation auf die Frage zu konzentrieren: „Wer ist der, der meditiert“.



5 – Das Speiseopfer   (施食shīshí)


Bis in die heutige Zeit wird von den Mönchen vor der Einnahme der beiden regulären Mahlzeiten, also am Morgen und zu Mittag, ein Speiseopfer dargebracht; erst danach nehmen die Mönche selbst das Essen zu sich.

Dazu rezitieren die Mönche das Dharani der Opferdarbringung (念供养咒 niàn gòngyǎng zhòu). An dessen Beginn wird mit den „zehn Epitheta der Buddhas“ (十聲佛 shí shēng fó) der Buddha geehrt. Dann nimmt der Diener des Abtes (侍者 shìzhě) eine kleine Menge von der Mahlzeit der Mönche,- oftmals von der Reisschale des Abtes -, und bringt die Speise zu einem erhöhten Postament (出食台 chū shí tái) außerhalb der Speisehalle, auf dem sie unter Rezitation eines Mantras dargeboten wird.



Reis, Mais, Brei, Brot, Mehl und Nudeln können als Opferspeise verwendet werden; Gemüse, Sojasprossen und dergleichen hingegen nicht. Wird Reis als Speiseopfer dargeboten, so sollten nicht mehr als 7 Reiskörner verwendet werden.

Für die Gabe der Speiseopfer sollen bestimmten Orte vermieden werden, so dürfen sie nicht unter Trauerweiden-, Pfirsich- oder Granatapfelbäumen dargeboten werden. Es heißt, wenn man die zu opfernde Nahrung unter diese Bäume legt, können sich die Geister nicht nähern, weil diese drei Bäume „anti-ketzerisch“ (破邪 poxie) sind. Deshalb werden in und vor einem buddhistischen Kloster solche Bäume nicht gepflanzt: die Geister würden nicht mehr kommen und wären verärgert.

In Bezug auf die verschiedenartigen Lebewesen des buddhistischen Kosmos gibt es auch Unterschiede in deren Nahrungsaufnahme: So heißt es: Die Speise am Morgen ist für die Wesen des Himmels, die am Mittag für den Buddha, jene am Nachmittag für die Tiere, und die abendliche Speise ist für die Hungergeister.  Oder: der Mensch ernährt sich durch zeitlich unterteiltes Speisen (Mahlzeiten), die Geister durch Berühren der Speise, die Heiligen und Himmelswesen durch Denken an die Speise und die Tiere durch Herunterschlingen der gesamten Speise.

Das Speiseopfer wird mit den Legenden verschiedener Geister und Dämonen in Verbindung gebracht: der  Rakshasa Hariti (罗剎鬼子母 luōshā guǐzǐmǔ), dem „Großen Vogel Peng mit den goldenen Flügeln“ (大鹏金翅鸟 dà péng jīn chì niǎo) und den guten und schlechten Geister der Wildnis (旷野鬼神众 kuàngyě guǐshén zhòng), bzw. deren Personifizierung mit dem Namen "Wildnis" (旷野 kuàngyě) Ihre Legenden durchzieht eine Gemeinsamkeit: rohe Naturgeister, die dem Menschen und anderen Lebewesen schädlich sind, werden vom Buddha nicht mit ebenso roher Gewalt bekämpft und beseitigt bzw. ausgerottet. Stattdessen werden sie nur mit einem Minimum an Gewalt, doch vor allem durch die Klugheit und Überzeugungskraft des Buddha gezähmt, ihr schlechtes Verhalten wird „neutralisiert“, und sie verwandeln sich gar zu nützlichen, hilfreichen Geistern. Da jedoch die Geister zu einer Änderung ihres Verhaltens Unterstützung und Hilfe brauchen, nimmt der Buddha auch die Menschen in die Pflicht. So zeigt er den Lebewesen, wie ein harmonisches Zusammenleben durch gegenseitige Rücksichtnahme und Kooperation möglich ist. Die drei Legenden werden aufgrund ihrer großen Popularität hier kurz vorgestellt:

 Die Rakshasa Hariti (罗剎鬼子母 luōshā guǐzǐmǔ)

Hariti (skr.: हारिती  hāritī, chin. 诃利帝 hēlìdì) zählt zu den Yakshas, den Naturgeistern resp. -Dämonen der hinduistischen/ brahmanischen Götterwelt, weist jedoch auch Bezüge zu der griechischen Göttin Tyche auf. Sie wurde schon zu Buddhas Zeiten in den Pantheon des Buddhismus integriert. Mit der Ausbreitung des Buddhismus wurde ihre Darstellung auch von andern Kulturen beeinflusst, insbesondere sichtbar in der Kunst von Gandhara, doch auch in der Höhlenkunst des frühen chinesischen Buddhismus. In China wird Hariti als Göttin der Fruchtbarkeit und Beschützerin der Kinder verehrt und meist „Dämon-Göttin“ (鬼子母神 guǐzǐ mǔshén) genannt. Hier ihre Legende:
Hariti lebte mit ihrem Gatten Panchika in der nordinischen Stadt Rajgir und hatte 500 Kinder. Sie ernährte sich und ihre Kinder von Menschenfleisch. Die Kinder der Bewohner Rajgirs wurden von ihr gefangen, getötet und verspeist oder verfüttert. Die Mütter der verschwundenen Kinder kamen verzweifelt zum Buddha und baten ihn um Hilfe. Dieser ging zum Wohnsitz Haritis, entführte eines ihrer Lieblingskinder und versteckte es unter seiner Almosenschale. Als Hariti nach hause kam, fiel ihr auf, dass das Kind fehlte. Sie suchte hier und da, in den Bergen und im Meer, sie fand es nicht. In ihrer Verzweiflung ging auch sie zum Buddha und ersuchte ihn um Hilfe. Der Buddha fragte sie, ob sie, die als Mutter von 500 Kindern schon den Verlust von einem von ihnen so sehr beklagte, sich vorstellen könne, um wieviel mehr die Mütter, die nur wenige Kinder hatten, um  diese von Hariti gefressenen Kinder trauerten. Hariti fing an, zu verstehen, und der Buddha erläuterte ihr den Wert von Mitgefühl.
Daraufhin nahm Hariti die vom Buddha erteilten Anweisungen von ganzem Herzen an und verpflichtete sich, von Granatäpfeln zu leben und nie wieder Kinder zu stehlen und zu töten, sondern sie in Zukunft zu beschützen. Nachdem sie ihre Tochter zurückerhalten hatte, wurde sie zur Beschützerin der Lehre des Buddha und aller fühlenden Lebewesen, insbesondere der Kinder.
Die Sache hatte einen Haken.
Die Granatäpfel machten nicht satt. Hariti und ihre Kinder wurden immer dünner.  Wieder ging sie zum Buddha und klagte ihr Leid. Der Buddha entschied, dass Hariti von seinen Jüngern unterstützt werden solle: bei jeder Mahlzeit sollten die Mönche  Hariti einen nur sehr kleinen Teil ihrer Mahlzeit abgeben und dabei ein Mantra aufsagen, das zu einer wundersamen Vermehrung der kleinen Speise führt. So wurde die Ernährung von Hariti und all ihren Kindern gesichert.  …


Der Dämon "Wildnis" (旷野 kuàngyě)

Nach den Angaben des Vinaya-Meisters Daoxuan (道宣 dàoxuān, 596-667) ist das Speiseopfer auf die in  der Nirvana-Sutra (大涅磐经 dà nièpán jīng) beschriebene Legende des Dämons "Wildnis" zurückzuführen. Sie steht im Kapitel über die "reinen Handlungen" und erzählt, dass der im Wald lebende Dämon sich vom Fleisch der Menschen ernährte und den Predigten des Buddha kein Gehör schenken wollte. Daraufhin habe der Buddha sich selbst in einen Dämon verwandelt und den Palast seines Kontrahenten mit solcher Kraft geschüttelt, dass der Dämon "Wildnis" keinen Frieden mehr gefunden habe. Nach der Zähmung des Dämons brachten die Bewohner des Dorfes einen sterbenden "Reichen" zu ihm, und "Wildnis" knurrte wohl der Magen, denn er wies den Buddha darauf hin, dass er und die zu ihm gehörenden Dämonen nicht mehr wüssten, wovon sie eigentlich leben sollten. Der Buddha ordnete daraufhin an, dass die Dämonen nur seinen Jüngern zu folgen brauchten, diese würden sich um die Ernährung der Dämonen kümmern, indem sie ihnen Speiseopfer brächten. Er bestimmte sogar, dass jene, die den Geistern der Wildnis keine Speisen opferten, nicht länger zu seinen Jüngern zu zählen seien.

Der große Vogel Peng mit den goldenen Flügeln (大鹏金翅鸟 dà péng jīn chì niǎo)

 „In Indien gab es die großen Peng-Vögel (Garuda) mit sehr großen Flügeln. Sie waren darauf spezialisiert, Drachen zu essen, und töteten viele. Die Drachensöhne und-Enkel waren schon fast alle von ihnen aufgefressen, da ging der Drachenkönig zu Buddha und bat ihn um Hilfe. Daraufhin  unterrichtete der Buddha die großen Peng-Vögeln in seiner Lehre. Er ermahnte sie, nicht soviel Tötungs-Ursache zu erzeugen (hinsichtlich der Karma-Lehre von Ursache und Wirkung), doch die großen Peng-Vögel hatten damit Schwierigkeiten, denn, wenn sie keine Drachen aßen, mussten sie verhungern. Der Buddha ordnete an, dass vor dem Essen der mittäglichen Mahlzeit die Jünger ein wenig von ihrer Speise abgeben sollten und zu dessen Vermehrung ein Matra darüber aussprechen sollten, um den großen Peng-Vögeln Nahrung zu geben. Und so war das Problem gelöst.“




6 – Das Gelöbnis   (发愿 fāyuàn)

Die ersten drei Bissen/Mundvoll, die man isst, sollen nur aus Reis bestehen. Während man sie isst soll man in Gedanken drei Wünsche hegen: 

1. Bissen / Mundvoll: Ich will alles Schlechte beenden (愿 断 一切恶 yuàn duàn yīqiè è)
2. Bissen / Mundvoll: Ich will alles Gute kultivieren / vervollkommnen (愿修一切善  yuàn xiū yīqiè shàn)
3. Bissen / Mundvoll : Ich schwöre, alle Lebewesen zu retten (誓度一切众生  shì dù yīqiè zhòngshēng)

Erst nach diesen „drei Gedanken“ (三念 sān niàn) isst man auch das Gemüse und die Suppe.



7 – Regeln und Etikette  (规矩 guījǔ)

Schon der Buddha erließ - meist als Reaktion auf in der Praxis auftretende Probleme - Regeln in Bezug auf die Einnahme der Mahlzeiten, diese sind in den Regelwerken des Vinaya festgehalten. In China wurde diese Vorgaben um ein Vielfaches erweitert und den chinesischen Gepflogenheiten angepasst, die vom Einfluss des Konfuzianismus mit seinen starren Verhaltensnormen und seiner Betonung von Hierarchie und Etikette geprägt waren. So sind in den Regelwerken der Chan-Klöster Verhalten, Gestik und Körperhaltung der Mönche  in noch höherem Maße Regeln und der Etikette unterworfen. Das Protokoll der Mahlzeiten ist in ihnen besonders umfangreich und differenziert beschrieben. In der heutigen Zeit wird es jedoch in manchen Klöstern wieder weniger streng gehandhabt, insbesondere in jenen, die bemüht sind, sich der gegenwärtigen Gesellschaft anzupassen.

Der Tischplatz und das Tischgedeck
Wird bei der Einnahme des Essens als zeremonielles Gewand nur ein „haiqing“ getragen, darf man sich auf das Gewand draufsetzen. Trägt der Mönch eine "große Robe" (大衣 dayi) soll er sich nicht auf sie setzen, sondern sie hinten anheben. Er soll mit geradem Rücken sitzen und nicht die Beine übereinander schlagen.
Die Anordnung und Handhabung des Tischgedecks ist in den Regelkodexen der Chan-Klöster minuziös festgelegt. Heute wird sie in weniger strengen Klöstern relativ beliebig gehandhabt. Es gibt mittlerweile sogar Klöster, in denen die Mönche, anstatt aus Essschalen, wie in einer Kantine von einem quadratischen, in verschiedene Kompartimente unterteilten Teller essen, dies ist jedoch sehr selten. Jenseits solcher Modernisierungen variiert die Anzahl der Essschalen und ihre Aufstellung von Kloster zu Kloster.  In manchen Klöstern werden – unter Berufung auf die Legende der Essschale des Buddha – vier Schalen verwendet, diese Anzahl wird auch in den „Reinen Regeln der Chan-Klöster“ von 1103 genannt. In anderen Klöstern werden drei Schalen benutzt: Reis-, Gemüse- und Suppenschale.
Im Shaolin-Tempel benutzen die Mönche meist nur zwei Schalen. Deren Anordnung auf dem Tisch ist folgendermaßen:
Zuerst stellt man die Schalen an die äußere Tischrand, wo sie von den Servicekräften mit dem Essen gefüllt werden. Dann nimmt man mit der Linken die Reisschale und setzt sie vor sich auf die rechte Seite. Danach greift man mit der Rechten die Gemüseschale und platziert sie auf die linken Seite, dann nimmt man die Reisschale und isst. Möchte man beim zweiten Rundgang der Servicekräfte durch die Halle, dass eine Schale erneut gefüllt wird, stellt man sie  mit der entsprechenden Hand nach vorne in die Nähe des Tischrandes, damit sie besser zu erreichen ist. Mit den Essstäbchen zeigt man die gewünschte Füllhöhe der Schale an. Hat man das Essen beendet, stellt man die Schalen leise ineinander und nimmt sie mit nach draußen, wo man sie reinigen kann. In den Klöstern, in denen das Reinigen der Schalen von den Servicekräften erledigt wird, stellen die Mönche die Schalen an ihre anfänglichen Plätze am Rand des Tisches und legen die Essstäbchen senkrecht daneben, wobei die Spitze der Esstäbchen mit der Tischkante abschließen soll.

Die Einnahme der Mahlzeit
Sitze wie eine Glocke, vereine Körper und Geist. Die linke Hand hält die Schale mit den vier Fingern am Schalenboden, sie unterstützen die Schale. Der Daumen hält mit leichtem Druck den oberen Schalenrand. Dies nennt man: "Der Drache speit die Perle aus" (龙吐珠 lóng tǔ zhū) oder „Der Drache hält die Perle in seinem Maul“ (龙含珠 lóng hán zhū). Die linke Hand ist der Drachenkopf, die Schale die Perle. Die Perle it zugleich ein Symbol für die Buddha-Natur. Die rechte Hand hält die Essstäbchen, sie holen die Nahrung ab und geben sie als Geschenk an den Mund. Diese Bewegung sollte zart und geschickt sein, die Alten nannten sie "Der Phoenix nickt mit dem Kopf“ (凤点头 fèng diǎn tóu). Einer anderen Interpretation zufolge sind die Essstäbchen in der rechten Hand die Klauen des Drachen, die die Perle ergreifen. Die Handhaltung wird als höchst wichtig angesehen, um die Achtsamkeit aufrecht zu erhalten.
Das Innere der Schale und die oberen zwei Drittel ihrer Außenseite gelten als rein, das untere zwei Drittel der Außenseite als schmutzig. In den „Reinen Regeln der Chanklöster“ von 1103 sind die Proportionen etwas anders verteilt, die Außenseite der Schale wird hier jeweils zur Hälfte als rein (oben) und unrein (unten) bezeichnet.
Beim Einfüllen der Mahlzeit sollen die Serviekräfte darauf achten, dass das Essen von der Schöpfkelle weder auf den Schalenrand und den Tisch, noch auf die Hand oder den Ärmel des Mönchs tropft. Die Menge des Essens, das man verzehren will, ist vorher gut abzumessen, denn man soll nichts wegwerfen. Beim Essen beugt sich nicht der Kopf zur Essschale hinunter, sondern die Schale wird zum Kopf hin angehoben. Man stopft keine großen Brocken in den Mund und reißt den Mund nicht weit auf. Von den Speisen lässt man nichts fallen, damit keine Nahrung vergeudet wird.

Eine Vielzahl weiterer praktischer Regeln findet sich in den klassischen Regelwerken, sei es in den Vinaya-Regeln oder in den Regel-Kodizes der Chan-Klöster. Dazu zählen solche, die anscheinend für sehr verspielte Mönche geschaffen wurden, wie „Der Mönch sollte den Reis nicht zu Kugeln rollen und in seinen Mund werfen“ und „Er sollte nicht seine Nahrung ablecken oder mit den Händen wedeln, wenn er isst“. Oder auch solche, die körperliche Unzulänglichkeiten der Mönche berücksichtigen, wie „Ein von Meteorismus geplagter Mönch darf um die Erlaubnis bitten, außerhalb der Halle essen zu dürfen“, oder „Wenn ein Mönch niesen muss, soll er seine Nase bedecken.“ Nicht zuletzt werden auch die menschlichen Schwächen in Erwägung gezogen, wenn es heißt: „Der Mönch soll nicht das Essen in seiner Schale mit dem in der Schale des Nachbarn vergleichen und einen Groll entwickeln; sein Geist sollte bei dem Essen in der eigenen Schale bleiben.“

Nach dem Essen schenken die Servicekräfte aus großen Wasserkesseln warmes Wasser aus. Mit ihm sollen die Schüsseln kurz ausgespült werden, das gleiche Wasser wird anschließend auch zum Ausspülen des Mundes benutzt und getrunken. Zusätzlich wird der Mund mittels Gebrauch von „Zahnhölzern“ gereinigt, dies soll der Mönch hinter vorgehaltener Hand resp. hinter vorgehaltenem Ärmel durchführen, damit niemand von davonfliegenden Essensresten getroffen wird.

Schweigen und Vermeidung von Geräuschen
Schon im Konfuzianismus gibt es den Ausspruch: "Essen ohne zu sprechen und schlafen ohne zu reden“ (食不言,寝不语 shí bù yán, qǐn bù yǔ). Der Buddha selbst hat nie ein Schweigegebot – weder allgemein, noch in Bezug auf die Einnahme der Mahlzeiten – aufgestellt, jedoch war oft die Qualität der Rede Objekt seiner Überlegungen und  Regelungen.  Noch in den „Reinen Regeln der Chanklöster“ von 1103 heißt es, dass ein Mönch mit vollem Mund nicht reden soll, woraus sich schließen lässt, dass das Reden bei den Mahlzeiten nicht prinzipiell verboten war. Nichtsdestotrotz setzte sich in den chan-buddhistischen Klöstern Chinas das Verbot durch, bei der gemeinsamen Einnahme der Mahlzeiten in der Speisehalle zu reden. Darüber hinaus soll man darauf achten, mit der Schale und den Essstäbchen keine Geräusche zu erzeugen. Da man bei Tisch nicht reden soll, zeigt man dem Service per Zeichensprache mit den Stäbchen an, wie viel er in die Schalen einfüllen soll, ob er (bevor man mit dem Essen beginnt) etwas von der eingefüllten Speise wieder wegnehmen soll u.a.. Man soll geräuschlos essen, also nicht schlürfen, schmatzen, rülpsen etc.
Nach Beendigung der Mahlzeit sollen die Mönche nicht miteinander plaudern, um die Zeit zu verbringen, oder gar schwatzen und tratschen. Schon der „Pilgermönch“ Yijing  verglich das Plaudern nach der Mahlzeit mit dem Nicht-Reinigen des Mundes und setzte so die äußere und innere Reinlichkeit der Mönche gleich.



8 – Die 8 Vorteile der gemeinsamen Mahlzeiten  (八种好处 bā zhǒng hǎochù)

In Bezug auf den Nutzen des alten Brauchs, die Mahlzeiten gemeinsam und nach festgelegten Regeln einzunehmen, werden insbesondere folgende acht Vorteile genannt:
(1) Keine Nachlässigkeit und Unaufmerksamkeit
Vor dem Einnehmen der Mahlzeiten wird dreimal die Klangtafel geschlagen, dies wird "die drei Anzeigen" genannt. Die erste Schlagfolge ist die Anzeige, sich auf das Essen vorzubereiten; bei der zweiten ziehen sich die Mitglieder der Gemeinschaft die rituelle Gewandung  an und gehen  in den Speisesaal. Die dritte Schlagfolge signalisiert, dass es Zeit ist, sich aufzustellen,  ruhig auf das Eintreten des Abtes zu warten und dann den Abt zu begrüßen. Wenn man so verfährt, ist die Gemeinschaft nicht unaufmerksam und trödelig, sondern diszipliniert und geordnet.

(2) Arbeitsersparnis bei der Verteilung der Mahlzeit
Den in der Küche und im Hallenservice (mit dem Austeilen der Mahlzeiten) Beschäftigten wird die Arbeit erleichtert und Mühe erspart. Schale und Essstäbchen werden ordentlich hingestellt, und so läßt sich das Essen einfach austeilen. Das Aufräumen geht schnell und einfach.

(3) Gleichheit und Ichlosigkeit der Gemeinschaft
Jeder genießt den gleichen Erhalt an Nahrungsmitteln. Ob hochrangiger Mönch oder Novize, keiner wird anders behandelt, in Bezug auf die Verteilung des Essens sind alle gleichberechtigt. Keiner hegt eine Ich-Vorstellung, es gibt also keinen Unterscheidungsgeist.

(4) Ausgewogene Ernährung der Gemeinschaft
Alle nehmen die gleichen Speisen zu sich, sämtliche Nahrungsmittel werden gleichmäßig verteilt. Die Nahrungsaufnahme aller ist ausgeglichen und der Nährgehalt ist ausgewogen, das ist auch für die Gesundheit von Vorteil. Zudem lassen sich so leichter schlechte Essgewohnheiten, wie z.B. eine einseitige Ernährung, ändern.

(5) Gemeinsames Empfangen von Freud und Leid
Alle haben gleichermaßen keine Wahl (des Essens), als würden sie himmlischen Nektar kosten. Ob es eine reichliche oder eine karge Mahlzeit gibt, ob die Speise geschmacklich farblos oder delikat ist: alle erhalten sie und freuen sich darüber. Dies ist ein Ausdruck der Gleichheit im Buddhismus.

(6) Rechte Gedanken hegen / Achtsamkeit 
Keiner soll schlechte Gedanken aufkommen lassen, denn sind sie erst erschienen, ist es schwer, sie wieder zum Verschwinden zu bringen. Die Nahrung als Medizin essen, den eigenen Körper als nur geliehen ansehen, als in der Bedingtheit entstanden und folglich „leer“ (即起即空), das wird als „rechte Gedanken hegen“ bzw. „Achtsamkeit“ bezeichnet.

(7)  Sowohl der Lehre Buddhas wie auch der Rationalität entsprechend
Nach der Tang-Dynastie nahm die Anzahl der Menschen in den Tempeln ständig zu, vor allem in der Ordinationszeit waren es oft mehr als tausend. Hätte es diese Reglung nicht gegeben, wäre ein Chaos entstanden. Eine Ordnung führt zu Geistesruhe und Erhabenheit, so ist die Lehre des Buddha jederzeit sichtbar (bzw. präsent).

 (8) Würdevolles Auftreten
Die Jünger des Buddha sollen auf allen Gebieten die Allgemeinheit übertreffen, deshalb gibt es für sie auch im Zusammenhang mit dem Essen Regeln und eine Ordnung. So geben sie mit ihrem eigenen Sein, ihrem eigenen Leben ein Beispiel. Dies soll dazu führen, dass die Menschen, die sie sehen, Freude und Respekt empfinden.




9 – Der  Ablauf des „Guotang“
  1. Ein Mönch geht mit einem Klangholz (叫响板jiào xiǎng bǎn) durch die Klosteranlage und gibt durch Schlagen des Holzes das akustische Zeichen, das die Essenszeit ankündigt und die Mönchsgemeinschaft auffordert, zur Speisehalle zu kommen. 
  2. Der Holzfisch (木鱼 muyu) wird geschlagen, erst dann dürfen die Mönche in die Halle eintreten. 
  3. Es folgen die drei Anzeigen der Wolkenplatte (云版 yunban) vor der Speisehalle. Sie werden dreimal vom Karmadana im Innern der Speisehalle mit dem „Yinqing“ (引磬), einer kleinen, an einem Holzstock befestigten Handglocke, beantwortet. Währenddessen tritt (im Shaolin-Kloster) der Abt mit seinen Dienern in die Halle. Danach soll kein Mönch mehr die Speisehalle betreten.
  4. Rezitation des Dharani der Opferdarbringung (念供养咒 niàn gòngyǎng zhòu), währenddessen wird das Speiseopfer dargebracht. Dann erfolgt durch eine weitere Rezitation der Verdienst-Transfer (回向 huíxiàng). Im Shaolin-Tempel findet er noch vor dem Essen statt, in einigen anderen Chan-Klöstern Chinas (z.B. Fayuan-Tempel in Beijing)  hingegen erst, nachdem die Mahlzeit beendet ist.
  5. Direkt nach dem Speiseopfer beginnt die Verteilung der Mahlzeiten, die von dem Karmadana überwacht wird. Dazu gehen die Servicekräfte durch die Tischreihen und teilen mit Schöpfkellen aus großen Bottichen bzw. Eimern das Essen aus. Im Allgemeinen gehen die Servicekräfte zwei- bis dreimal durch die Reihen, um das Essen zu verteilen.
  6. Nach Beendigung des Essens verlassen die Mönche,beginnend mit dem Abt, die Speisehalle einzeln und ohne die anderen zu stören. In manchen Klöstern verläßt die Mönchsgemeinschaft die Speisehalle gemeinsam.Haben die Mönche und Novizen die Speisehalle verlassen, versteuen sich wieder ihre Wege: manche kehren in ihre Zimmer zurück, die Kampfmönchen gehen zum Training, andere zu ihrer jeweiligen Arbeit und manche Mönche verweilen noch etwas im Klosterhof, führen zur „Musik der Tempelfeger“ ein paar Dehnübungen aus und genießen die ruhige klösterliche Atmosphäre, bis sich um 8 Uhr die Tempeltore für die Besucherströme öffnen. 








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Ausgangsmaterial für den vorstehenden Text über die Tradition der gemeinsamen Mahlzeiten im Kloster ist ein von Shi Yan Kai zur Verfügung gestellter chinesischer Text eines unbekannten Autors. Ein großer Dank für die geduldige Beantwortung unzähliger Fragen an Shi Yan Kai und Shi Yongchuan.



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Die Inhalte dieses Artikels wurden von mir nach bestem Wissen und Gewissen auf ihren Wahrheitsgehalt hin geprüft und erstellt. Letztendlich geben sie meine Reflektion der Dinge wieder. Quellenangaben sind auf Anfrage hin erhältlich.
 21.07.2012 - yss
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