Das Essen im Shaolin-Kloster (2)


Die heute im Shaolin-Kloster gepflegte Essenstradition blickt auf eine Geschichte zurück, die die des Klosters selbst zeitlich bei weitem übersteigt. Sie ist den aktuellen Erfordernissen und gleichzeitig den buddhistischen Regeln und Traditionen verpflichtet. Um diesen Teil der Shaolin-Kultur als ebensolchen zu erkennen und in seinen Eigenheiten zu verstehen, ist es erforderlich, sich auch mit seinen „Wurzeln“ zu beschäftigen. Aufgrund des dadurch bedingten Umfangs des Themas ist der Artikel in fünf Teile gegliedert:
1. Das Essen im Buddhismus    --> link   
2. Die klösterliche Essenstradition im han-chinesischen Buddhismus

3. Geschichte - Geschichten - Legenden zur Essenstradition im Shaolin-Tempel     --> link

4. Die Küche des Shaolin-Klosters - Shi Xingci - Ernährung der Shaolin-Mönche - Shaolin-Rezepte  --> link
5. Guotang - Die gemeinsamen Mahlzeiten der Shaolin-Mönche  --> link




2. Die klösterliche Essenstradition im han-chinesischen Buddhismus

Der Buddhismus erfuhr bei seiner Assimilation an den chinesischen Kulturkreis weitreichende  Änderungen. Diese Umgestaltung ist hinsichtlich der buddhistischen Essenstradition in drei Bereichen von besonderem Interesse:

a) Regeln
Vinaya-Regeln / Bodhisattva-Regeln / „Reine Regeln“
b) Klösterliche Ökonomie
Feudalähnl. Strukturen / Wohlstand / Fastenfeste / Körperliche Arbeit der Mönche / Hunger / erneuter Wohlstand
c) Vegetarismus
Ausgangssituation / Mahayana-Sutren / Liang-Kaiser Wu / weitere Entwicklung bis zur Neuzeit



a) REGELN   


In der Frühzeit des chinesischen Buddhismus gelangten Informationen über eine buddhistische Ernährungweise durch Mönche und andere Reisende von Indien und Zentralasien nach China. Nach und nach erreichten die Mönchsregeln des Vinaya der verschiedenen buddhistischen Schulen China und wurden dort in mühevoller Arbeit übersetzt.  Die in ihnen enthaltenen Regeln, die sich auf das Essenstradition der Mönche beziehen, erstrecken sich von Vorschriften für die Almosenrunden, die Benutzung der Essschüsseln, die Essenszeiten und das Verhalten beim Essen über Anordnungen in Bezug auf die Nahrungsmittel und ihre Handhabung bis hin zur Nennung von Fastenzeiten u.a. 
Innerhalb der Vinayas der verschiedenen Schulen gab es zwar auch schon einige unterschiedliche Regeln, doch schwieriger gestaltete sich die praktische Umsetzung im chinesischen Kulturkreis. Im allgemeinen galt: war eine Praktik in den Vinaya-Regeln verboten, dann wurde sie als falsch angesehen. Wenn sich die Vinaya-Regeln jedoch nicht über sie äußerten und wenn sie in der Region, in der sie angewandt wurde, einem korrekten, noblen Verhalten entsprach, galt sie als richtig und war erlaubt. Beispielsweise aßen die Mönche in China nicht mit den Fingern, wie es für jene in Indien selbstverständlich war. Dort formte man mit den Fingern die Speise zu kleinen, mundgerechten Portionen, und führte diese auch mit den Fingern zum Mund. Dieser Essenspraxis folgten selbst Könige und Edelleute, nur Alte und Schwache aßen mit einem Löffel. Ein Essen mit den Fingern hätte in China jedoch nur Anstoß erregt und die Mönche nicht würdevoll oder gar lächerlich erscheinen lassen. Da es in den Vinaya-Regelwerken hierzu keine Bestimmungen gab, war den chinesischen Mönchen der Gebrauch von Essstäbchen erlaubt, zumal er den Gepflogenheiten des Landes entsprach. So besteht das Essbesteck der chinesischen Mönche aus Essstäbchen und einem Löffel.

Noch bevor alle Fassungen des Vinaya übersetzt waren, gab es die Bestrebung, zusätzlich zu den vorhandenen Vinaya-Regeln ergänzende Regelwerke zu entwerfen, die halfen, das Klosterleben zu organisieren, zu regulieren und den chinesischen Erfordernissen anzupassen. Der erste chinesische Mönch der in dieser Hinsicht einen bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung der Sangha-Regeln ausübte, war Daoan (道安, 312~385). Er verfasste zahlreiche Regeln, zu denen auch jene über die Einnahme der Speisen und Getränke (飲食) und jene über den Gesang resp. die Rezitation zu den Mahlzeit (唱時) zählen, zum Teil werden sie bis heute angewendet. Viele der von Daoan aufgestellten Regeln sind verloren gegangen, doch wurden einige durch den Mönch Daoxuan (道宣, 596 – 667) erhalten, einen der bedeutendsten  Mönchsgelehrten der frühen Tang-Zeit und Gründer der „Vinaya-Schule“ (律宗 lüzong). So berichtet Daoxuan, dass es Daoan war, der das Weihrauchopfer und die Rezitation resp. den Gesang vor dem Essen einführte; gemäß den Vinaya-Regeln wurde in Indien erst nach der Einnahme der Mahlzeiten gesungen. Da Daoxuan Daoans Praxis, vor dem Essen zu singen, sinnvoll fand, integrierte er sie in seine Regeln für die Klöster der Vinaya-Schule und sie hat bis heute ihre Gültigkeit behalten. Zum Text, der vor den Mahlzeiten gesungen wird zählen die zehn Epitheta (Attribute) der Buddhas (十聲佛 shí shēng fó), sie sollen ebenfalls auf Daoan zurückzuführen sein:

„Vairocana-Buddha des Reinen Dharma-Körpers
Vairocana-Buddha des Körpers der vollkommenen Vergeltung
Shakyamuni-Buddha mit seinem Körper der Myriaden von Transformationen
Verehrungswürdiger Maitreya-Buddha, der in der Zukunft herabsteigen und in dieser Welt wiedergeboren wird
Amitabha-Buddha im Sukhavati-Reich
Alle Buddhas der zehn Richtungen und drei Zeitalter
Bodhisattva Manjushri der großen Weisheit
Bodhisattva Samantabhadra der großen Praxis
Bodhisattva Avalokiteshavara des großen Mitgefühls
und alle großen Bodhisattvas.
Großes Erlangen der Erleuchtung durch vollkommene Einsicht (Prajnaparamita).“


供養清淨法身毘盧遮那佛,
圓滿報身盧舍那佛,
千百億化身釋迦牟尼佛,
當來下生彌勒尊佛,
極樂世界阿彌陀佛,
十方三世一切諸佛,
大智文殊師利菩薩,
大行普賢菩薩,
大悲觀世音菩薩,
大願地藏王菩薩,
諸尊菩薩摩訶薩,
摩訶般若波羅蜜。

Qīngjìng fǎshēn pílúzhēnà  fó
Yuánmǎn bàoshēn lúshěnà  fó
Qiānbǎi yì huàshēn shìjiāmóuní fó
Jílè shìjiè ēmítuófó
Dāng lái xià shēng mílè zūn fó
Shí fāng sānshì yīqiè zhū fó
Dàzhì wénshū shī lì púsà
Dà xíng pǔ xián púsà
Dàbēi guānshìyīn púsà
dàyuàn de cáng wáng púsà
Zhū zūn púsà
mó hē sà mó hē bōrě bōluómì


(二時臨齋儀, 1. Abschnitt)


Diese zehn Epitheta der Buddhas werden bis heute in den han-buddhistischen Klöstern vor der Einnahme der Mahlzeit gesungen, sie bilden den ersten Abschnitt eines umfassenderen Textes. Hier sind diese zehn Epitheta der Buddhas im Gesang der Mönche des Shaolin-Klosters vor ihrer frühmorgendlichen Mahlzeit zu hören:





(1)

Ausgehend von den Neuerungen des Mahayana-Buddhismus wurden im Lauf der Zeit die sogenannten Bodhisattva-Regeln in den chinesischen Buddhismus eingeführt, die den Verzehr bestimmter Nahrungsmittel verboten und heute fester Bestandteil der Mönchsregeln han-buddhistischer Tradition sind. So kam es hinsichtlich der Gültigkeit von Regeln zu Überschneidungen. Ein frühes Beispiel hierfür bietet Daoxuan: obwohl er stets als Verfechter der Vinaya-Regeln auftrat,- insbesondere des „Vierteiligen Vinaya“ (四分律 sìfēnlǜ) der Dharmaguptaka-Schule, die per kaiserliches Dekret für alle buddhistischen Klöster Chinas verbindlich wurden,- propagierte er unter Berufung auf die Mahayana-Sutren den Verbot des Verzehrs von Fleisch und der „Fünf scharfen Gemüse“ (siehe unten: „Vegetarismus“). 

Auch die folgenden Generationen von Mönchen und Gelehrten beschäftigten sich immer wieder mit der Frage nach einem Verhalten, das gleichermaßen mit der Lehre des Buddha, den Vinaya-Regeln und dem Gedankengut des Mahayana wie auch den Traditionen und Gepflogenheiten der chinesischen Kultur vereinbar ist. Zudem forderten die Größe der Klöster und der politische Druck weiterreichende Regelungen des klösterlichen Zusammenlebens. Es entstanden - nach der Initiation durch Daoan und Daoxuan - weitere monastische Regelwerke der Klöster, die in den verschiedenen „Reinen Regeln“ resultierten. Das erste richtungsweisende Werk für alle folgenden Regelkodexe dieser Art war die „Reine Regel der Chan-Klöster“ (禅院清规 chanyuan qinggui) aus dem Jahr 1103, die ab 1343 an Bedeutung von der sogenannten „Auf Erlass verbesserte Reine Regel von Baizhang“ (敕修百丈清规 chixiu baizhang qinggui) übertroffen wurde. Die Befolgung letzterer wurde den Klöstern per kaiserlichem Erlass angordnet. 

Schon in der "Reinen Regel der Chan-Klöster" fällt die Länge und Detailliertheit des Abschnitts auf, der sich mit dem Protokoll der Mahlzeiten  befasst. Dies macht deutlich, welche Wichtigkeit diesem  grundlegenden Teil des täglichen Lebens auch im Kloster beigemessen wurde.




b) Ökonomie der Klöster


Die aus dem indischen Kulturkreis stammenden Vinaya-Regeln standen oft im Konflikt mit den einheimischen chinesischen Traditionen, insbesondere jenen des Konfuzianismus. So konnte z.B. der Brauch der Almosengänge aufgrund der negativen Rezeption des Bettelns in China nicht „Fuß fassen“. Während man in Indien, der Heimat des Buddhismus, eine lange Tradition der Versorgung der Brahmanen und anderer weiser, „heiliger“ Männer mit Almosenspeisen kannte, war diese in China unbekannt. Mildtätigkeit wurde in der Familie und gegenüber Untergeordneten ausgeübt, weniger gegenüber Bettlern. Da man davon ausging, dass Bettelnde jeglichen familiären Rückhalt verloren hatten,- sonst wäre ja für sie gesorgt,-  standen sie in einem zwielichtigen Ruf. Um von der Bevölkerung geachtet und respektiert zu werden mussten die buddhistischen Mönche andere Wege finden, ihre Lebensgrundlage zu sichern und fanden sie im „Sponsoring“.

Schon in Indien erhielten buddhistische Klöster Unterstützung und die Zuweisung regelmässiger Ernteabgaben durch Könige und die Oberschicht der Gesellschaft. Daraus resultierte eine zunehmende ökonomische Eigenständigkeit zumindest der großen Klöster, die ein relativ gesichertes und umfangreiches Nahrungsangebot zur Folge hatte.  
(2) "Ernte", Mittl. Tang-Dyn., Yulin-Grotten, Höhle Nr. 25
In China wurden zahlreiche Klöster vom kaiserlichen Hof und anderen wohlhabenden Gönnern gegründet und subventioniert. Sie erhielten durch Schenkungen und Vererbungen Land und weitere Besitztümer, die den Lebensunterhalt der Mönche sicherten, wie Wasserläufe und Seen, Getreidemühlen etc. Viele Klöster betrieben Pfand- und Geldleihe und wurden zu florierenden Wirtschaftunternehmen. Auf den klostereigenen Ländereien verrichteten klostereigene Arbeitskräfte die den Mönchen verbotene Landarbeit. Die Mahlzeiten für die Mönche wurden in der Klosterküche von Personal aus dem Laienstand zubereitet. 

(3) "Tang-Mädchen mit Spenden", Späte Tang-Dyn., Dunhuang, Höhle 17
 Durch diese Entwicklung war einem Großteil der buddhistischen Laienschaft die  Möglichkeit genommen, mit dem Akt des Spendens von Speisen karmische Verdienste zu erwerben. Einen Weg, diese Möglichkeit in variierter Form wiederherzustellen, fand man in Zusammenhang mit zwei anderen alten buddhistischen Traditionen: zum einen der Verköstigung von Mönchen im Rahmen von eigens für sie ausgerichteten „Gastmählern“, zum anderen in den regelmäßigen Fastentagen mit ihrer Versammlung von Ordensangehörigen und Laien zur rituellen „Reinigung“. An diesen „upoṣadha“-Tagen befolgten die an ihnen teilnehmenden buddhistischen Laien zusätzlich zu den fünf Laien-Regeln drei weitere Regeln, zusammen werden sie die „Acht einschränkenden Fastenregeln“ ("八关斋戒" ba guan zhai jie) genannt. Einem Praxis-Leitfaden für buddhistische Laien von Xi Chao (郗超, 336-377!) zufolge wurde an diesen Fastentagen weder Fleisch noch Fisch gegessen und die Mahlzeiten mussten bis zur Mittagszeit eingenommen werden. Es entstand der Brauch, an diesen Tagen „Fastenfeste“ bzw. „Vegetarische Feste“ (斋会 zhai hui) zu veranstalten. Diese wurden meist von wohlhabenden Gönnern aus dem Laienstand organisiert und materiell ausgestattet oder durch Sammlungen in der buddhistischen Gemeinde finanziert. Zudem wurden an hohen Feiertagen, z.B. anlässlich der Erleuchtung des Buddha, seiner Geburt oder seines Übergangs in das Nirvana, „vegetarische Feste“ bis hin zu regelrechten „vegetarischen Banketts“ ausgerichtet. Bezeichnenderweise ist die erste Erwähnung des Buddhismus in China in einem historischen Bericht zu finden, der sich auf ein Festmahl bezieht, das im Jahr 65 n.Chr. von einem Prinzen des Kaiserhauses für buddhistische Mönche und Laien gespendet wurde.

In besonders großer Anzahl wurden die „Fastenfeste“ resp. „vegetarischen Feste“ von den buddhistischen Laien während der Regierungszeit des Kaisers Wu der Liang-Dynastie (梁武帝 liáng wǔ dì), 502 bis 549, veranstaltet. Zu den führenden Beratern dieses Kaisers zählte ein buddhistischer Gelehrter, der durch einige bis heute erhaltene Schriften einen lebendigen, sehr persönlichen Einblick in die damalige Situation der buddhistischen Gemeinschaft gibt und auch die Essentradition der Mönche auf verschiedene Weise reflektierte. Es ist der außergewöhnliche Historiker, Politiker und Dichter Shen Yue (沈约, 441-513). In der Vielzahl seiner Schriften findet sich das Essay „Über die Bewahrung der Tradition der mittäglichen Mahlzeit der Mönche“ (述僧中食论  shù sēng zhōng shí lùn), in dem er über die Gier des Menschen schreibt: 

„Der Mensch ist deshalb kein Erleuchteter, weil sein Geist verwirrt und irregeleitet ist. Sein Geist ist deshalb verwirrt und fehlgeleitet, weil er von äußeren Dingen gestört wird. Die ihn am meisten störenden Dinge sind die drei folgenden: erstens Eitelkeit und Ehrgeiz, zweitens der betörende Dämon der Sexualität, drittens Naschsucht und Verfettung. Der Geist des Menschen ist täglich mit Ehrgeiz beschäftigt, doch will er sich davon keine Sekunde lang ermüden lassen. Der Dämon der Sexualtität ist schon eine tiefer gehende Schwierigkeit. Naschsucht und Verfettung jedoch führen zu Ermüdung und sind ein sehr gravierendes Problem. Zuviel gäbe es dazu zu sagen. Aus diesen drei Dingen kommen die anderen Übel hervor wie Astwerk und Blätter aus dem Baumstamm. Der Heilige weiß, wenn man diese drei Dinge nicht abbricht, ist es unmöglich, Erleuchtung zu erlangen.

《人所以不得道者。由于心神昏惑。心神所以昏惑。由于外物扰之。扰之大者其事有三。一则势利荣名。二则妖妍靡曼。三则甘旨肥 浓。荣名虽日用于心。要无晷刻之累。妖妍靡曼方之已深。甘旨肥浓为累甚切。万事云云。皆三者之枝叶耳。圣人知不断此三事求道无从可得。》
(aus: 述僧中食论, erschienen in 《大唐西明寺释道宣撰》, 广弘明集卷第二十四)

Shenyue schildert anschließend, dass der Buddha als geschicktes Mittel gegen übermäßiges Essen bzw. Eßsucht das Verbot, nach der Mittagszeit zu essen, eingeführt habe.
In dem Essay „Über die Bewahrung der Ausrichtung von Festen für Mönche“ (述僧设会论  shù sēng shè huì lùn) äußert er seine Besorgnis über die Niedergang der buddhistischen Tradition und der Mönchsdisziplin wie folgt:

 „Wenn jemand die buddhistischen Sitten und Bräuche praktiziert, gibt es dafür stets einen Grund. Heutzutage lädt man die Mönche ein und richtet ein Essen für sie aus, wie damals, zur Zeit, als der Buddha noch lebte, und die Mönche oft Einladungen (zum Essen) erhielten. So versucht man, es diesem alten Vorbild nachzumachen. Vorbei ist die Zeit als der Buddha noch in der Welt war und mit seiner Mönchsgemeinschaft im „Mönchsgarten“ lebte, ohne selbst zu arbeiten und für den Lebensunterhalt zu sorgen. Zu gegebener Zeit  gingen sie mit ihren Schüsseln auf Almosenrunde und brachten den Lebewesen dadurch (karmischen) Verdienst ein. In der heutigen Mönchsgemeinschaft gibt es nur wenige , die das einmalige mittägliche Mahl einhalten, noch weniger gibt es Tugendhafte. Doch es gibt solche, die sich süße, üppige Mahlzeiten gönnen und deren Speisekammern überquellen. Läd man nun diese Mönche zum Essen ein, kommen sie nur wenn sie es nicht umgehen können. Wenn sie dann ihre von Delikatessen verwöhnten Münder mit einfachem Gemüse und Pflanzen füllen müssen, strecken sie ihre Hälse und rümpfen ihre Nasen, da es ihnen nicht schmeckt. Weil sie die Spende nicht mit Freude annehmen, ist es nicht möglich, daß diese (dem Spender) Verdienst bringt. Es ist bei weitem nicht wie in der Vergangenheit, als die Mönche sich nicht selbst das Essen zubereiten durften und ohne das Mittel der vierfachen Sangha (d.h. ohne die Unterstützung der Laien) keinen Unterhalt für Mund und Körper gehabt hätten.“

《夫修营法事必有其理。今世召请众僧止设一会。当由佛在世时常受人请。以此拟像故也。而佛昔在世。佛与众僧。僧伽蓝内本不自 营其餐具也。至时持钵往福众生。今之僧众非惟持中者少。乃有腆恣甘腴厨膳丰豪者。今有加请召。并不得已而后来。以滋腴之口。进蔬蔌之具。延颈蹙頞固不能 甘。既非乐受不容设福。非若在昔不得自营。非资四辈身口无托者也。》
(述僧设会论 , erschienen in: 《大唐西明寺释道宣撰》, 广弘明集卷第二十四).


(4)



Zu Beginn der Tang-Dynastie bahnte sich eine Veränderung der ökonomischen Situation der Klöster an, die auch auf die Ernährung der Mönche weitreichende Folgen hatte. 

(5) Daoxin

Der Mönch Daoxin (四祖道信, 580 – 651), als vierter Partiarch der Chanschule verehrt, soll als Erster eine dauerhaft ansässige Sangha gegründet haben und damit Wegbereiter für die Entstehung reiner Chan-Klöstern mit eigener Landwirtschaft gewesen sein. Als Grund hierfür wird die Größe seiner Anhängerschaft vermutet, die mehr als 500 Menschen umfasst haben soll. Auch mag es eine Rolle gespielt haben, dass Daoxin zeitlebens unnachgiebig Distanz zum Kaiserhof und der herrschenden Clique hielt. Von den Chan-Patriarchen vor ihm (Bodhidharma, Huike und Sengcan) wird angenommen, dass sie mit ihren Schülern meist frei umherwanderten und sich nur zeitweise in Klöstern der Vinaya-Schule aufhielten. Ob die Mönche von Daoxins Sangha sich schon durch eigene landwirtschaftliche Arbeit ernährten oder von finanziellen Spenden lebten, ist noch nicht hinreichend geklärt.
Daoxin ist auch für seine Kenntnisse in der traditionellen chinesischen Heilkunde bekannt und soll sich besonders mit den gesundheitlichen Aspekten der Ernährung beschäftigt haben. Noch heute wird im „Huangmei-Kloster des Vierten Patriarchen“ (黄梅四祖寺 huángméi sì zǔ sì) in der Provinz Hubei jedes Jahr am 3. März sein Geburtstag („四祖大师圣诞法会“ sì zǔ dàshī shèngdàn fǎhuì) gefeiert. An diesem Tag kommen viele Laienbuddhisten zum Kloster, und es werden spezielle Gemüsefladen („菜粑“ cài bā) gebacken, deren Rezept auf Daoxin zurückgeführt wird.

Dem Chan-Meister Baizhang Huaihai (百丈懷海, 720–814) wird das Postulat „Ein Tag ohne Arbeit ist ein Tag ohne Essen“  (一日不做一日不食yī rì bù zuò yī rì bù shí) zugeschrieben, das zum „Slogan“ wurde. Es steht für die Pflicht der Mönche zu körperlicher Arbeit, jenseits der hierarchischen Stellung im Kloster und als Teil der buddhistischen Praxis. Eine landwirtschaftliche Tätigkeit der Mönche war dabei nicht mehr ausgeschlossen, sie wurde sogar eine wesentliche Komponente und war zudem für die kleinen Klöster in ökonomischer Hinsicht von großem Vorteil. Das einfache, bodenständige und selbstgenügsame Leben erhielt eine Aufwertung. Wann genau diese Entwicklung einsetzte und inwieweit der Mönch Baizhang tatsächlich ihr Initiator war, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Zwar wurde durch diese „Arbeitspflicht“ und speziell durch die landwirtschaftliche Tätigkeit der Mönche mit einer weiteren altbuddhistischen Tradition gebrochen. Doch verhalf sie den Chan-Klöstern zu mehr Selbständigkeit, sodass die Essschüsseln der Mönche auch in kargen, buddhismusfeindlichen Zeiten gefüllt werden konnten. Da sie nun den mit eigenen Händen angebauten Kohlkopf aßen, konnte zudem der von den Gegnern des Buddhismus gern und nicht immer zu Unrecht geäusserte Vorwurf des Schmarotzertums entkräftet werden. Bis heute hat die Tradition, körperliche Arbeit als chan-buddhistische Praxis anzusehen, Bestand. 




(6) China: Hungersnot Mai 1946 - Speisung von Kindern in einem Kloster
Sie war den Mönchen im Lauf der Jahrhunderte besonders in den immer wiederkehrenden Hungersnöten eine große Hilfe. Auch als in den politischen Wirren des 20. Jahrhunderts mit der Auflösung der Qing-Dynastie die von ihr eingerichteten Institutionen zur Bekämpfung von Hungersnöten verschwanden und es in den ländlichen Gegenden zu großen Hungersnöten kam (besonders in den armen Provinzen Henan, Anhui, Shaanxi)  half sie den Mönchen, zu überleben. Nachdem ab 1947 im Zuge der kommunistischen Umgestaltung der Gesellschaft bis auf wenige Ausnahmen die Klöster enteignet wurden, verschärfte sich ihre Versorgungslage oft dramatisch. Den Klöstern auf dem Land wurden landwirtschaftlich mehr oder minder nutzbare Landflächen und Saatgut nach Maßgabe des Staates zugeteilt, die oft nicht zur Ernährung der verbliebenen Klosterinsassen reichten. Die Mönche und Nonnen in den Stadtklöstern konnten versuchen, sofern es ihnen möglich war, durch Teilnahme an Arbeitsdiensten oder durch eigene kleine Kooperativen das eigene Überleben zu sichern. Während in den Jahrhunderten der Feudalzeit die Ernährunglage in den großen Klöstern zeitweise in krassem Widerspruch zu dem der allgemeinen ländlichen Bevölkerung stand und manche Klöster sogar an der Niederschlagung von durch Hungersnot bedingten Bauernaufständen beteiligt waren, musste nun der Klerus den Hunger und die Not des Volkes teilen. 

Darüber, wieviele buddhistische Mönche und Nonnen sich unter den Millionen von Hungertoten in der Zeit des „Großen Sprungs vorwärts“, 1958 bis 1961, befanden, gibt es noch keine allgemein zugängliche  statistische Erhebung.
Die Nahrungsknappheit und –rationierung endete in China in den 80er Jahren. Für den Zeitraum 2005 bis 2007 wird der Anteil der unterernährten Bevölkerung von der Welthungerhilfe mit 10% angegeben (zum Vergleich: Indien 21%, Bulgarien 10%), dem steht eine Übergewichtsrate von nahezu 23 % der Bevölkerung im Jahr 2008 gegenüber. Mit der „kapitalistischen Revolution chinesischer Prägung“ hat sich also die Ernährungslage des Landes wesentlich gebessert und kann als nahezu „normal“ gelten. Durch die staatliche Integration der großen Religionen und ihre politische wie auch wirtschaftliche Nutzung ist ein zum Teil bescheidener, zum Teil markanter Wohlstand in die Klöster und ihre Küchen eingezogen. Klassische und neue Einnahmequellen tragen zur materiellen Sicherung der Klöster bei: Spenden und Entgelte für die Durchführung von Zeremonien und anderen religiösen Dienstleistungen, Erhebung von Eintrittsgeldern, eigener Landbau, Verkauf von religiösen Gebrauchs- und Kunstgegenständen, Souvenirs etc., von Laien geführte Subunternehmen verschiedener Art u.v.m.
 



(7) Longquan-Kloster, China



Die Spannbreite reicht hier von Klöstern, die sich durch Bescheidenheit in wirtschaftlichen Aktivitäten und eine genügsame Selbstversorgung auszeichnen, bis hin zu solchen, die sich in erhöhtem Maße der Mehrung von materiellem Wohlstand widmen. Ein Beispiel für Erstere ist das Zhenru-Kloster in der südchinesischen Provinz Jiangxi, über dessen heutige Essenstradition es eine kleine, feine Filmdokumentation von Edward A. Burger gibt:  






c) VEGETARISMUS

Wie in den meisten Kulturen hatte auch in der alten chinesischen Kultur Fleisch einen besonderen symbolischen Stellenwert. Es galt als ein Zeichen von Wohlstand und Reichtum und seine Opferung war in den kultischen Handlungen von großer Bedeutung.  Demgegenüber war in China schon in der Zhou-Dynastie (ca. 1122/1045-770 v. Chr.) auch eine vegetarische Ernährungsweise bekannt. In der Tradition des Konfuzianismus, der ab der Mitte des ersten Jahrtausends vor Chr. aufkam, war es üblich, sich während der mehrtägigen Trauerzeit nach dem Tod eines Verwandten des Verzehrs von Fleisch zu enthalten. In der Frühzeit des Daoismus kannte man ebenfalls die vegetarische Diät, und bis heute wird sie im Rahmen der daoistischen Gesundheitslehren gepflegt. Ab der Han-Dynastie erhielt die vegetarische Ernährung zudem eine ausdrückliche moralische Bedeutung in der Gesellschaft: sei es, daß in Notzeiten führende Beamte sie vorübergehend ausübten, um dem Volk ein vorbildliches Verhalten zu zeigen, sei es, dass sie von Mitgliedern der oberen Gesellschaftsschicht im Rahmen der eigenen Kultivierung oder zur offiziellen Demonstration von Bescheidenheit gepflegt wurde. Der Verzicht auf den Verzehr von Fleisch stellte auch einen Protest gegen die Maßlosigkeit und Dekadenz jener dar, die sich exzessiven Fleisch-Konsum leisteten und deshalb auch als „Fleisch-Esser“  (肉食者ròushí zhě) bezeichnet wurden. Zu Beginn unserer Zeitrechnung war die Enthaltsamkeit von Fleisch in der chinesischen Gesellschaft nicht nur bekannt, sie hatte als ein Symbol für Genügsamkeit und Bescheidenheit auch einen hohen ethischen Wert.

Die Ordination buddhistischer Mönche fand in China ab der Mitte des dritten Jahrhunderts statt. Den Mönchen und Nonnen war gemäß der Vinaya-Regeln, nach denen sie ordiniert wurden, der Verzehr des „dreifach reinen„ Fleisches gestattet. In den Regeln waren Fleisch und Fisch unter den den fünf erlaubten Nahrungsmitteln (饭 fàn, 麦 mài, 乾饭 gānfàn, 鱼 yu, 肉 rou) angeführt; lediglich in den Fastenzeiten wurde eine vegetarische/vegane Ernährungsweise eingehalten.

In der Mitte des ersten nachchristlichen Jahrtausends trat jedoch ein Umschwung ein, der den Vegetarismus im han-chinesischen Buddhismus einleiten sollte, eine Tradition, die bis heute anhält und somit auf eine nahezu 1500-jährige Geschichte zurückblicken kann. Die Verankerung des Vegetarismus in den han-buddhistischen Klöstern begünstigte seine stete Weiterentwicklung und trug dazu bei, dass man heute China als das Land mit einer der reichsten, vielseitigsten und interessantesten vegetarischen Küchen bezeichnen kann. Gleichwohl betonte sie die Bedeutung ethischen Handelns im Buddhismus bei seiner Anpassung an die veränderten Bedingungen.

Eine wesentliche Anregung auf theoretischen Ebene lieferten die Neuerungen des Mahayana-Buddhismus, dessen Anfänge im indischen Subkontinent sich bis ins erste vorchristliche Jahrhundert zurückverfolgen lassen. Die in ihm enthaltenen neuen Vorstellung, Konzepte und Interpretationen veränderten auch die Sichtweise auf den Verzehr von Nahrung tierischen Ursprungs. Die in der Praxis eingeführte Abstinenz vom Verzehr von Fleisch fand wiederum ihren Niederschlag in späteren, in China entstandenen Mahayana-Sutren, die dann mit gesteigerter Vehemenz den Vegetarismus propagierten.
Im Mahayana-Buddhismus ist die treibende Kraft für das Streben nach Erleuchtung das große, allumfassende Mitgefühl (skr.: mahākaruṇā, chin.: 大慈悲 da cibei), das sich sowohl auf die Menschen als auch auf alle „fühlenden Lebewesen“ bezieht, also die Tierwelt einschließt. Die Erleuchtung wird nicht nur zur eigenen Errettung angestrebt, sondern in erster Linie, um allen fühlenden Lebewesen den Zugang zu ihr zu ermöglichen. Die Surangama-Sutra (大佛頂首楞嚴經 dà fódǐng shǒuléngyán jīng) verdeutlicht die Unvereinbarkeit dieses Prinzips mit dem Verzehr von Fleisch folgendermaßen:

Wenn man die Meditation praktiziert und immer noch Fleisch ißt, würde man wie ein Mann sein, der seine Ohren verschlossen hat und laut ruft und dann sagt, er hätte gar nichts gehört. Um so mehr man Dinge versteckt, um so sichtbarer werden sie. …. Wie kann ein Mönch, der hofft, ein Befreier von anderen zu werden, selber vom Fleisch anderer fühlender Wesen leben?
(„Surangama-Sutra“, in der Übersetzung von W. Schorat)

Mit noch größerer Eindringlichkeit sprechen sich die Mahaparanirvana-Sutra (大般涅槃經 da banniepan jing) und die Lankavatara-Sutra (楞伽經 lèngqié jīng) gegen den Fleischverzehr aus. Beide Werke sind für die Weiterentwicklung des in der Frühzeit des Mahajana-Buddhismus entstandenen Tathāgathagarbha-Konzepts von Bedeutung, demzufolge in allen „fühlenden Lebenwesen“ (Mensch und Tier) die Buddhaschaft als Matrix vorhanden ist. Dieses gemeinsame Potential, die Teilhabe am selben „Heilsweg“, verbindet Mensch und Tier in ihrem kurzen existentiellen Aufleuchten in Zeit und Raum. Zudem ist die kurze Existenz des Einzelnen mit jener aller anderen Lebewesen durch den endlosen Kreislauf der Wiedergeburten verwoben.
Die Lankavatara-Sutra, in der ein gesamtes Kapitel dem Thema des Fleischverzehrs gewidmet ist, erläutert:

In diesem langen Ablauf von Wiedergeburten hier gibt es kein einziges lebendes Wesen, das, wenn es die Form eines lebenden Wesens angenommen hat, nicht deine Mutter oder dein Vater oder dein Bruder oder Schwester oder Sohn oder Tochter oder der eine oder der andere in den verschiedenen Abstufungen der Verwandtschaft gewesen war; und wenn man eine andere Form des Lebens angenommen hat, so kann man als ein Wildtier, als ein Haustier, als ein Vogel oder als ein aus dem Schoße Geborener oder als jemand, der in verwandtschaftlicher Beziehung zu dir steht, leben. Wie kann der Bodhisattva-Mahasattva, der allen Lebewesen so zu begegnen wünscht, als wären sie er selbst und der die Buddhawahrheiten ausübt, das Fleisch von einem Lebewesen essen, das von der gleichen Natur ist wie er selbst?
(Lankavatara-Sutra, Kapitel 16, in der Übersetzung von K.-H.Golzio)

In der Mahaparanirvana-Sutra, die 418 erstmalig von Faxian (法显) und Buddhabhadra (佛陀跋陀罗) in Chinesische übersetzt wurde, findet sich ein Dialog zwischen Kasyapa und dem Buddha, kurz vor dessen Eingang ins Nirvana, der sich auf die vom Buddha früher erteilte Erlaubnis des Fleischverzehrs bezieht:

Bhagavat, warum hast du früher das Essen von in dreifacher Beziehung untadeligem Fleisch erlaubt?“
„Weil ich diese drei Arten von Untadeligem als eine provisorische Richtlinie festlegte. Ich widerrufe sie jetzt.“
„Bhagavat, was war deine Absicht, als du von dem neunfachen großen Gewinn und von dem Aufgeben der zehn Arten Fleisch sprachst?
„Da diese Aussprüche gemacht wurden, um das Fleischessen einzuschränken, werden sie jetzt ebenfalls zurückgenommen.

(大般涅槃經,  Mahaparinirvana Sutra, tibet. Version von 790, nach der engl. Übersetzung von Dr. Tony Page)

Die spätere Brahmajala-Sutra (梵網經 fanwang jing) vollzieht in diesem Ansatz, der Legalisierung des Fleischverzehrs durch die Vinaya-Regeln nicht nur den moralischen Appell, sondern  ein festgelegtes, praxisrelevantes Verbot entgegenzusetzen, einen weiteren Schritt, indem sie die Abstinenz vom Fleischverzehr im Rahmen der in ihr aufgestellten Bodhisattva-Gelübde zur Regel erhebt. Die Bodhisattva-Gelübde bestehen aus 10 primären und 48 sekundären Regeln. Die dritte der 48 sekundären Regeln lautet:

 „Ein Schüler des Buddha soll nicht absichtlich Fleisch essen, denn es zerstört den angeborenen Samen des Großen Mitgefühls. Jedes fühlende Lebewesen wird, wenn es ihn sieht, vor ihm fliehen. Aus diesem Grund soll kein Bodhisattva das Fleisch irgendeines fühlenden Lebewesen essen. Fleisch essen führt zu unermeßlicher Schuld. Wenn er absichtlich Fleisch isst, verübt er ein leichtes Vergehen


《若佛子。故食肉一切肉不得食。斷大慈悲性種子。一切眾生見而捨去。是故一切菩薩不得食一切眾生肉。食肉得無量罪。若故食者。犯輕垢罪。》
(aus: 梵網經, 卷2, CBETA, T24n1484 [1005b10])

Neben dem Verzehr von Fleisch wird in der Brahmajala-Sutra, der Surangama-Sutra, der Lankavatara-Sutra und anderen Mahayana-Schriften auch der Gebrauch einiger pflanzlicher Nahrungsmittel untersagt. Diese sind unter dem Namen „Fünf scharfe Wurzeln“ oder „Fünf scharfe Gemüse“ (五辛 wǔ xīn) zusammengefaßt, werden jedoch in den einzelnen Sutren unterschiedlich benannt. Die Brahmajala-Sutra verbietet – in der vierten Regel der 48 sekundären Bodhisattva-Regeln – den Verzehr von  Zwiebeln (蘭蔥 láncōng), Lauch/Poree (韮蔥 jiǔcōng), Knoblauch (大蒜 dàsuàn), Wilde Scharlotte (蒜 suan  oder革蔥 gécōng) und Asafoetida (興渠 xīngqú). 

Die vorgenannten Mahayana-Sutren haben die Gemeinsamkeit, daß sie nicht mehr unterscheiden zwischen dem Töten / Töten lassen auf der einen und dem Profitieren vom durch Andere ausgeführten Töten auf der anderen Seite. Es gibt keine „unschuldige Teilhabe“ am Unrecht mehr, der Nutznießer des Tötens bleibt nicht rein,  im Sinne des Ausspruchs von Ralph Waldo Emerson (1803-1882): „Sie haben soeben zu Mittag gegessen: und wie sorgfältig auch immer das Schlachthaus in einer taktvollen Entfernung von einigen oder vielen Kilometern verborgen sein mag – Sie sind mitschuldig.

Bleibt die Frage, warum denn - laut Mahaparanirvana-Sutra - der Buddha den Verzehr von Fleisch anfänglich erlaubt habe, um ihn dann kurz vor seinem Eingang ins Nirvana doch zu verbieten und warum er die eingeschränkte Erlaubnis des Fleischverzehrs als „geschicktes Mittel“ (skr.: „upāya“, chin.: 方便  fangbian), d.h. als Hilfsmittel oder Zwischenstufe zu einem von ihm eigentlich angestrebten Zustand, eingesetzt habe.
Heute wird diese Handlungsweise zum einen damit erklärt, dass der Buddha sich in einer Zeit, in der die von ihm verbreitete Lehre nur eine unter vielen konkurrierenden Lehren war, gegenüber dem Jainismus und seinem äußerst strengen Vegetarismus abgrenzen wollte. Als weiterer möglicher Grund wird angenommen, dass der Buddha ein Spaltung der Sangha befürchtete, weshalb er auch die ihm von dem „abtrünnigen“ Mönch Devadatta unterbreiteten Vorschläge zur Änderung der Mönchsregeln, die den Verbot des Fleischverzehrs beinhalteten, abgelehnt habe.
 

Mit dem Aufkommen des Mahayana-Buddhismus standen also die Mönche in Bezug auf den Verzehr von Fleisch vor dem Problem, wie sie den Konflikt zwischen der durch die Mahayana-Sutren repräsentierten ethischen Verantwortung und der durch die Vinaya-Regeln repräsentierten Rechtssicherheit lösen sollten. Der Anstoss zu einer Lösung kam im 6. Jahrhundert aus der Laienschaft.



(8)
Die rechtliche Verankerung des Vegetarismus in den buddhistischen Klöstern Chinas wurde von dem Gründer der Liang-Dynastie, Xiāo Yǎn (萧衍, 464-549), initiiert. Er ist besser bekannt unter der seinen posthumen Namen einbeziehenden Bezeichnung „Liang-Kaiser Wu“ (梁武帝 liáng wǔ dì) und gilt als einer der herausragenden Förderer und Protektoren des chinesischen Buddhismus in dessen Frühzeit. Es ist unklar, wann genau der Kaiser begann, sich dem buddhistischen Glauben zuzuwenden. Möglicherweise übte der buddhistische Gelehrte Shenyue, sein Haupt-Berater in rituellen Angelegenheiten, einen Einfluss auf ihn aus. Dieser verfaßte schon 494 ein Essay mit dem Titel „Abhandlung über das höchste Mitgefühl“ (究竟慈悲論 jiujing cibei lun),  das sich wie ein  frühes Tierschutz-Pamphlet liest.  Rigoros verurteilte er darin den Verzehr von Fleisch und die Verwendung von Lederwaren sowie die Produktion von Seide (die den Tod der Seidenraupen zur Folge hat).
Aus dem Jahr 517 stammt ein Edikt, in dem Kaiser Wu als „die Regeln des Buddha praktizierend, Gemüse essend und den Begierden entsagend“ (《修行佛戒,蔬食断欲》) beschrieben wird. In diesem Edikt verbot er die Verwendung von lebenden Tieren in den Opferriten, die in den konfuzianischen Ahnentempeln stattfanden. Als Ersatz wurden erst tote Tiere geopfert, später dann aus pflanzlichen Materialien hergestellte Fleischimitationen. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich daraus die „Fanghun“-Küche, die sich auf die Imitation von Fleischgerichten auf der Basis von Gluten spezialisierte sowie die Legende, der Kaiser sei ihr Erfinder gewesen.
Als ein Mittel, sein Verbot des Tötens von Lebewesen zu religiösen Zwecken durchzusetzen, kreierte Kaiser Wu die  „Opferdarbietung an die sechs Wege“ ( 六道供 liù dào gong), ein Ritual der Opferung vegetarischer Speisen, das als Vorläufer des noch heute zelebrierten „Wasser-Land-Rituals“ (水陆斋 shui lu zhai) angesehen wird.
Der Kaiser legte 519 als erster in der von ihm reformierten Bodhisattva-Ordinations-Zeremonie die Bodhisattva-Gelübde ab, die den Verzicht von Fleisch beinhalteten. Seinem Beispiel folgten zahlreiche Mitglieder aller Gesellschaftsschichten. Heute sind die Bodhisattva-Gelübde fester Bestandteil der Ordination buddhistischer Mönche in China, und mit ihnen das Gelöbnis der Abstinenz von Fleisch und den „Fünf scharfen Gemüsen“.
522 ordnete der „Bodhisattva-Kaiser“ eine große Versammlung von buddhistischen Ordensangehörigen im Hualin(華林)-Palast an und verordnete die Einführung der Abstinenz von Fleisch und Alkohol für buddhistische Mönche und Nonnen in seinem Reich. Für die Versammlung verfaßte er persönlich eine Schrift mit dem Titel „Über die Abstinenz von Alkohol und Fleisch“  (断酒肉文 duàn jiǔròu wén). Dieser in seinem Wortlaut bis heute erhaltene Text ist eins der wichtigsten historischen Dokumente zum Ursprung der vegetarischen Ernährungsweise in den Klöstern des han-chinesischen Buddhismus.
Deren Einführung als verbindliche Regel war jedoch nicht leicht. Die Klöster hatten hinsichtlich der kaiserlichen bürokratischen Kontrolle einen relativ autonomen Status und der Klerus war gewohnt, „inneren Angelegenheiten“ selbst zu entscheiden. Während der Vegetarismus in den von Kaiser Wu selbst gegründeten und gesponsorten Klöstern schon die Regel war und auch von vielen Laienbuddhisten befolgt wurde, leisteten große Teile des Klerus anderer Klöster Widerstand gegen die Verordnung. Der Kaiser versuchte, diesem mit mehreren Mitteln zu entgegen. Zum einen versuchte er, unter Berufung auf die Mahayana-Sutren,- vornehmlich die Mahaparanirvana-Sutra und die Lankavatara-Sutra,- Überzeugungsarbeit zu leisten. Zum anderen appelierte er an die Vorbildfunktion des Klerus und übte moralischen Druck auf ihn aus. Dabei scheute er sich nicht, schon in seiner Eröffnungsansprache die „Schüler des Buddha“, die Fleisch aßen (laut den Regeln des Vinaya erlaubt) mit denen, die Alkohol tranken (laut Vinaya verboten) zu vermengen und sie jenen, die nicht nach der buddhistischen Doktrin von karmischer Vergeltung lebten, den Ungläubigen, gleichzusetzen:

„Heutzutage trinken sich die Schüler des Buddha einen Rausch an und essen Fleisch. Sie fürchten nicht die schlechte Ursache (Handlung), und sie fürchten nicht die bittere Wirkung (Konsequenz), das bedeutet, sie glauben nicht an Ursache und Wirkung. Wie unterscheiden sie sich von denen, die nicht handeln und Vergeltung empfangen?“


 《今佛弟子酣酒嗜肉。不畏罪因不畏苦果。即是不信因不信果。與無施無報者復何以異。》
(aus: 梁武帝《断酒肉文》, erschienen in:《大唐西明寺释道宣撰》, 广弘明集卷第二十六)

Als letztes Mittel setzte er die Androhung ein, diejenigen die seine Verordnung nicht befolgen, zurück in den Laienstand zu versetzen und sie wieder in das Register der Steuerpflichtigen aufzunehmen. Vor der Versammlung von 1448 Personen liess er verkünden:

„Von heute an gilt, wenn Sie in Ihre Klöster zurükgekehrt sind, soll jeder von Ihnen sich entsprechend der Lehre des Buddha in Beschränkung üben. Wenn Sie jedoch weiterhin Alkohol trinken und Fleisch essen und gegen den Dharma handeln, werden Sie nach den Gesetzen des Landes bestraft. Alle die Mönche und Nonnen, die die Kleidung des Tathagata tragen, sich aber nicht nach der Weise des Tathagata verhalten, sind Pseudo-Mönche und unterscheiden sich nicht von Dieben und Betrügern. Diejenigen, die so handeln, werden angesehen als jemand, der in den Bevölkerungsregister aufgenommen ist.“

《今日僧眾還寺已後。各各檢勒使依佛教。若復飲酒噉肉不如法者。弟子當依王法治問。諸僧尼若被如來衣不行如來行。是假名僧。與賊盜不異。如是行者猶是弟子國中編戶一民。》
(aus: T52n2103-026 廣弘明集 第26卷[0297c04])

Die intensiven Bemühungen des Kaiser Wu, den Buddhismus in seinem Land zur Blüte zu bringen, als spiritueller Führer zu wirken und sowohl Macht über die Klöster als auch Einfluss in den Klöstern zu erlangen, mögen sowohl religiösen als auch politischen Motiven entsprungen sein. Sie waren weit über ihre Zeit hinaus von großem Nutzen für den chinesischen Buddhismus, und ihre Auswirkungen reichen bis in die heutige Zeit hinein.  

Es gelang dem Kaiser nicht, die Abstinenz von Fleisch  landesweit an allen buddhistischen Klöster durchzusetzen. Die Einführung des Vegetarismus an den han-buddistischen Klöstern schritt zwar  relativ kontinuierlich voran, wann sie abgeschlossen war, ist jedoch bis heute nicht genau nachzuweisen. Ihre Entwicklung wird heute indirekt anhand der großen monastischen Biografien gemessen: war es im siebten Jahrhundert noch erwähnenswert, dass der beschriebene Mönch eine vegetarische Diät einhielt, so wurde dies im 10. Jahrhundert anscheinend schon als selbstverständlich vorausgesetzt.


(9) Chinesische Köche

Immerhin war schon in der frühen Tang-Dynastie in vielen buddhistischen Klöstern Chinas der Vegetarismus die Norm, und so wundert es nicht, daß der chinesische Mönch Xuanzang (玄奘, 603 - 664), der zwischen 629 und 645 eine Reise von China über die Seidenstraße nach Indien unternahm, mit ziemlicher Konsternierung von seiner Begegnung mit Fleisch verzehrenden buddhistischen Mönchen in Zentralasien berichtete. Bis heute wird die Tang-Dynastie (618 – 907) als das „Goldene Zeitalter“ des chinesischen Buddhismus gepriesen. Frieden, Wohlstand und die kulturelle Blüte ließen die Klöster prosperieren und spiegelten sich auch in der Klosterküche.

Wie in der Tang-Zeit förderten auch in den darauffolgenden Dynastien viele Kaiser den Buddhismus. Einige von ihnen befolgten selbst die buddhistischen Essensregeln, achteten auf die buddhistischen vegetarischen Fastentage und führten am kaiserlichen Hof eine spezielle Küche für vegetarische Kost (素局 sùjú). Zudem folgten zahlreiche Mitglieder der Elite des Landes (Adel, Beamte, Literati u.a.) einer vegetarischen Ernährungsweise und förderten deren Verbreitung.  Die parallel zum Voranschreiten des monastischen Vegetarismus verlaufende Entwicklung des Vegetarismus unter den buddhistischen Laien, war immer wieder von beachtlichem Einfluss . Das Niveau und der Ruf der vegetarischen Küche stiegen unaufhaltsam an, und es entstand ein auf sie spezialisierter Bereich der Lebensmittelproduktion. Schon im 10. Jahrhundert gab es vegetarische Restaurants in den Hauptstädten der Song-Dynastie, Huangzhou und Bianliang (heute: Kaifeng).

Dabei wurde in den buddhistischen Klöstern eine vegetarische Küche gepflegt, die zum einen  der Anforderung von Einfachheit und Bescheidenheit der Speisen genügen sollte, und zum anderen an einer Weiterentwicklung der Ernährung unter medizinischen Gesichtspunkten mitwirkte. Besonders die Köche der wohlhabenden Klöster versäumten es jedoch auch nicht, sich um Wohlgeschmack und Raffinesse der Speisen zu kümmern. So ließ sich die Behauptung entkräften, dass nur fleischliche Speisen  gehobeneren Ansprüchen genügten. Zudem konnte man den Pflichten als Gastgeber gegenüber den vornehmen Spendern besser nachkommen, wenn man in der Lage war, ihnen im Falle eines Besuchs ein ihrem erlesenen Geschmack entsprechendes Menü zu servieren. Besonders die Kunst der Nachahmung von Fleischgerichten mit pflanzlichen Zutaten wie Gluten, Soja u.a., die Fanghun-Kochkunst, wurde in einigen Klöstern durch stete Verfeinerung zu einer wahren Feinschmecker-Küche entwickelt, die man in klostereigenen Restaurants anbot, von denen die Besten Gäste aus dem ganzen Land anzogen. Natürlich waren die Motive, eine exquisite Küche zu kreieren, keinesweg stets nur altruistisch oder auf die Aussenwelt ausgerichtet; oft hatten auch die Äbte und monastischen Würdenträger selbst ein ausgesprochenes Faible für verfeinerten Lebensstil und höfische Kultur entwickelt.



(10) Taixu
Den Niedergang der höfischen Glanzwelt erlebte der Mönch Taixu (太虚,  1890-1947), eine der herausragenden buddhistischen Persönlichkeiten Chinas zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Im Rahmen seiner Bemühungen um eine Erneuerung des Buddhismus verfasste er zahlreiche Schriften, unter ihnen auch zahlreiche  Schriften zum buddhistischen Vegetarismus, den er ausdrücklich befürwortete. Er betonte die ethische und moralische Grundlage des in China praktizierten Vegetarismus im Gegensatz zum seiner Meinung nach rein wissenschaftlich begründeten Vegetarismus des Westens, den er über Tolstoi u.a. kennengelernt hatte.

(11) Yinshun
Sein Zeitgenosse, der bedeutende und einflussreiche buddhistische Mönch Yinshun  (印順  1906/1905 – 2005), warnte davor, die vegetarische Ernährung für einen Buddhisten zur Bedingung zu machen. Obwohl für einen Buddhisten nicht zwingend erforderlich, bedeute, ein Vegetarier zu sein, im chinesischen Buddhismus ein gutes moralisches Verhalten und sei unterstützenswert. Wichtiger sei jedoch, erst die Lehre des Buddha zu verstehen sowie sein Verhalten und seine Gedanken zu läutern. Den Buddhismus zu praktizieren und ein Vegetarier zu werden als dasselbe anzusehen, sei eher ein Hindernis bei der Verbreitung des Buddhismus.


In der heutigen Zeit erlebt die vegetarische Küche der han-buddhistischen Klöstern Chinas eine neue Blüte. Nach wie vor dient sie überwiegend der Versorgung von Klosterangehörigen und Pilgern, nicht wenige Klöster haben sie jedoch auch als Einnahmequelle wiederentdeckt und vegetarische Restaurants eröffnet, in denen sie alte und neue buddhistische Klosterküche präsentieren. Das Renomee einiger besonders traditionsreicher Klosterrestaurants übersteigt heute wieder bei weitem die Provinz- und Landesgrenzen und zieht Klosterbesucher und Feinschmecker aus allen vier Himmelrichtungen an. Die bekanntesten Klöster mit Restaurant sind der Yufo-Tempel (Jadebuddha-Tempel) und der Longhua-Tempel in Shanghai, der Lingyin-Tempel in Hangzhou, der Daming-Tempel in Yangzhou, der Nan-Putuo-Tempel in Xiamen (Fujian) und der Wuzu Tempel in Huangmei (Hubei) sowie mehrere Klöster in Sichuan: das Kloster Wenshuyuan in Chengdu, der Baoguang-Tempel in Xindu bei Chengdu und der Wannian-Tempel im Emei-Gebirge. 

Ach ja, nicht zu vergessen: es gibt ein kleines, verträumtes Kloster in den Song-Bergen, dessen Küche ebenfalls auf eine lange Tradition zurückblicken kann ...  -> Das Essen im Shaolin-Kloster 3


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Bild (1): © copyright by "blog.voc.com.cn"
Bild (2) und (3): aus: "Grotto Art in Dunhuang", © copyright by 中国旅游出版 图片中心, 北京, 1998
(Bilderzentrale im Verlagshaus für China-Reisen, Beijing, 1998)

Bild (4): Kalligraphie von Shenyue, download von baidu
Bild (5): Daoxin, download von baidu
Bild (6): "During the famine, children being fed in the temple", China,  Hunan, Mai 1946, George Silk, © copyright by Life/Time Inc.
Bild (7): © copyright by 龙泉寺, 北京 (Longquan-Tempel, Beijing) (?)
Bild 8: Liang Wu Di, download von baidu
Bild 9: "Chinesische Köche", Qing-Dynastie, ©Kathleen Cohen
Bild 10: Taixu dashi, download von baidu
Bild 11: Yinshun dashi, download von baidu



Tonaufnahme: copyright by yss
Die Inhalte dieses Artikels wurden von mir nach bestem Wissen und Gewissen auf ihren Wahrheitsgehalt hin geprüft und erstellt. Letztendlich geben sie meine Reflektion der Dinge wieder. Quellenangaben sind auf Anfrage hin erhältlich


1.12.2011 - yss 
Letzte Änderung: 16.06.2012
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Das Essen im Shaolin-Kloster (1)


Die heute im Shaolin-Kloster gepflegte Essenstradition blickt auf eine Geschichte zurück, die die des Klosters selbst zeitlich bei weitem übersteigt. Sie ist den aktuellen Erfordernissen und gleichzeitig den buddhistischen Regeln und Traditionen verpflichtet. Um diesen Teil der Shaolin-Kultur als ebensolchen zu erkennen und in seinen Eigenheiten zu verstehen, ist es erforderlich, sich auch mit seinen „Wurzeln“ zu beschäftigen. Aufgrund des dadurch bedingten Umfangs des Themas ist der Artikel in fünf Teile gegliedert:
1. Das Essen im Buddhismus
2. Die Essenstradition im han-chinesischen Buddhismus     --> link
3. Geschichte - Geschichten - Legenden zur Essenstradition im Shaolin-Tempel   --> link
4. Die Küche des Shaolin-Tempels - Shi Xingci - Ernährung der Shaolin-Mönche - Shaolin-Rezepte --> link
5. Guotang - Die gemeinsamen Mahlzeiten der Shaolin-Mönche  --> link

1. Das Essen im Buddhismus
 

Der Buddha und seine Jünger bildeten eine Gemeinschaft von Almosenempfängern, vergleichbar mit einem christlichen Bettelorden. Einer maßvollen Askese verpflichtet ernährten sie sich von den Speisen und Nahrungsmitteln, die auf ihren täglichen Almosengängen (skr.: pindipata , chin.:  托钵 tuo bo) in ihre Schüsseln gefüllt wurden. Sie erhielten vornehmlich das, was von den eigenen Speisen der „Haushälter“ (der buddhistischen Laien) und anderer Spender übrig geblieben oder was von ihnen zusätzlich zubereitet worden war, dazu Früchte und andere unzubereitete Nahrung. Die Amosengänge waren streng reglementiert, und die Mönche hatten sich bei ihrer Durchführung besonders diszipliniert, diskret, ruhig und konzentriert zu verhalten. Sie baten und bedankten sich nicht,  hingegen bat der Spendende um die Annahme der Gabe und bedankte sich dann für ihre Bereitschaft, die Gabe anzunehmen. Verweigerte ein Mönch die Annahme einer Spende, so wurde dies als eine schwere Strafe und Beschämung des Gebers angesehen. Ab und zu wurden der Buddha und seine Jünger von einem wohlhabenden Gönner zu einem eigens für sie veranstalteten Mahl eingeladen. Mit der wachsenden Bekanntheit und Anhängerzahl des Buddha vermehrten sich diese Einladungen und entwickelten sich mitunter zu Massenspeisungen für mehr als 1000 Jünger, die meist von reichen Kaufleuten, Beamten, Würdenträgern bis hin zu Königen ausgerichtet wurden.
(1)
Die Spende von Speisen war ursprünglich die wichtigste Form für einen buddhistischen Laien, am Kreislauf des Gebens und Nehmens, der die buddhistische Gemeinschaft von Mönchen und Laien verbindet, als Geber teilzunehmen. Er erhielt dadurch die Möglichkeit, sein Karma zu verbessern,  und zwar in wesentlich höherem Maß als mit der Speisung anderer Bedürftiger. Dies entsprach dem schon in den altindischen Veden beschriebenen Brauch vorbuddhistischer Zeit, nach einer Zeremonie durch das Versorgen von Brahmanen mit Speisen besondere Verdienste zu erwerben. Der Buddha bzw. die Mönchsgemeinschaft waren jedoch nicht nur Empfänger, denn sie gaben dem Laien Nahrung auf einem geistigen Niveau: durch Vorträge oder persönliche Unterweisungen spendeten sie den Dharma, die Lehre des Buddha. In dieser symbiotischen Beziehung war also das Gegenstück zur elementaren Abhängigkeit der Mönchsgemeinschaft von den Laien die Abhängigkeit der Laien von den Mönchen in Bezug auf die Vermittlung der buddhistischen Lehre.


Der Buddha verlangte von den Jüngern, bei dem Erhalt und der Aufnahme von Nahrung keine persönliche Unterscheidung in sich aufkommen zu lassen, wie z.B. Vorlieben oder Vermeidung bestimmter Spender oder Speisen. Von Armen und Reichen sollten sie gleichermaßen Spenden annehmen, um allen die Möglichkeit zu geben, durch ihre Gabe karmische Verdienste zu erwerben. Eine einmal angenommene Einladung zu einem Mahl durften sie nicht zugunsten einer später erfolgten Einladung absagen und sie sollten auch nicht schon gesättigt zu einem Mahl gehen. Das Essen wurde als Mittel zur Erhaltung eines gesunden Körpers angesehen, „kulinarische Vergnügen“ waren tabu. Die Jünger sollten die gespendete Nahrung, solange sie unverdorben war und den vom Buddha aufgestellten Regeln entsprach, keiner Diskriminierung hinsichtlich ihres Wohlgeschmacks oder ästhetischen Aussehens unterziehen. Sie sollten mit dem zufrieden sein, was ihnen gegeben wurde. 
 

(2)

Die Almosengänge fanden im Allgemeinen am frühen Morgen statt, und bis zum Mittag mussten die Speisen verzehrt werden. Zu den Gründen für diese zeitliche Begrenzung zählte, dass die Haltbarkeit der meisten Nahrungsmittel wegen der klimatischen Gegebenheiten eingeschränkt war und dass die Versorgung der Jünger die Laien nicht zu sehr belasten sollte. Hauptsächlich jedoch sollte sie den Jüngern dazu dienen, die Erfüllung der körperlichen Bedürfnisse auf das Notwendige zu beschränken und sich im übrigen intensiv und störungsfrei ihrer spirituellen Entwicklung zu widmen, insbesondere durch die Meditation in der Einsamkeit und durch das Hören der Vorträge des Buddha. Noch heute wird in den meisten buddhistischen Traditionen die Regel befolgt, dass Mönche und Nonnen nur ein bis zwei offizielle Mahlzeiten pro Tag zu sich nehmen dürfen, die bis 12 Uhr mittags verzehrt sein müssen. Manche Traditionen lassen eine weitere Mahlzeit am Abend zu, diese ist jedoch inoffiziell und wird als „Medizin“ bezeichnet. Oft beschränkt sie sich dann auf nahrhafte Getränke und dünne Suppen. 

Eine eigene landwirtschaftliche Arbeit zur Sicherung des Lebensunterhalts war den Jüngern des Buddha verwehrt, würden sie doch in Gefahr laufen, beim Umpflügen der Erde oder anderer landwirtschaftlicher Tätigkeit unbeabsichtigt ein Tier zu verletzen oder töten und dadurch gegen eins der wesentlichsten Gebote des Buddha verstossen. Anfänglich lebten sie überwiegend von den gekochten Speisen (膳 oder 饍 shàn), die sie auf den Almosengängen gesammelt hatten Da sie jedoch auch noch unverarbeitete Lebensmittel erhielten, erlaubte ihnen der Buddha mit der Zeit, selbst und innerhalb ihrer Räumlichkeiten Nahrungsmittel haltbar zu machen und aufzuwärmen, letztendlich auch zu kochen (Vinaya Pitaka, Mahāvagga, MV.VI.16-30). Nach und nach genehmigte er den Jüngern ebenfalls, im Fall einer Krankheit um Fleisch, Fisch, Milch, Honig und andere besondere Nahrungsmittel zu bitten, diese wurden dann als Medizin angesehen.


In den kanonischen Schriften gibt es eine Fülle von Regeln und Vorschriften, die das Annehmen von Almosen, das Verhalten beim Essen, die Handhabung der Nahrungsmittel etc. betreffen und starken Restriktionen unterwerfen. Gleichwohl geht aus ihnen ebenfalls hervor, dass der Buddha wie in vielen anderen Dingen auch in Essensfragen immer wieder bereit war, die Gültigkeit und die Praktikabilität der von ihm aufgestellten Regel bei Bedarf zu überprüfen und gegebenenfalls den Erfordernissen entsprechend anzupassen.


Die Lehre des Buddha fand schon früh auch das Interesse wohlhabender Gesellschaftsschichten und Herrscher, die die Sangha nicht nur zu Mahlzeiten einluden, sondern ihr großzügig Schenkungen von Land und Unterkünften zukommen ließen. Diese wurden erst als temporäre Unterkünfte in der Regenzeit genutzt, später entstanden aus ihnen die ersten Klosterbauten. In den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung bestanden die Klosteranlagen aus einem Sakralbereich und mehreren zweckdienlichen Einzelbauten, zu denen auch ein Refektorium (klösterlicher Speisesaal) und eine Küche resp. ein  Küchenbereich zählten. Mit der weiteren Verbreitung des Buddhismus wuchsen die Klöster in Anzahl und Ausmaß zu beachtlicher Größe an und erlangten zunehmend materielle Unabhängigkeit. Begünstigt durch die gesicherte, regelmäßige Einnahme unverarbeiteter Nahrungsmittel begann sich in ihnen eine dem Buddhismus eigene Klosterküche entwickeln.
(3)


Eine der Lehre des Buddha entsprechende Ernährung wird bis heute kontrovers diskutiert, besonders in Bezug auf den Verzehr von Fleisch und anderen tierischen Nahrungmitteln, wie Fisch, Eier, Milchprodukte etc. Natürlich geht man dabei von der Frage aus, ob denn der Buddha und seine Jünger Fleisch gegessen haben oder nicht, und welche Regeln der Buddha hierzu aufgestellt hat. Als wesentliche literarische Quelle wird hier überwiegend der von allen großen buddhistischen Schulen respektierte  Pali-Kanon herangezogen und zitiert, wobei es jedoch Unstimmigkeiten innerhalb des Pali-Kanons und Uneinigkeit in den Übersetzungen gibt.

So wird im Pali-Kanon in mehreren Stellen geschildert, daß der Buddha selbst Fleisch angenommen und verzehrt hat, z.B.:
»Aus dem Munde des Erhabenen, o Herr, habe ich es vernommen, aus seinem Munde es erfahren: 'Wer etwas Gutes schenkt, erhält Gutes zurück.' Etwas Gutes aber, o Herr, ist mein Schweinefleisch mit süßen Brustbeeren - etwas Gutes mein mit Öl zubereitetes Stielgemüse - etwas Gutes mein Reisgericht, von schwarzen Körnern frei, versehen mit mancherlei Brühen und Gemüsen - etwas Gutes sind meine kostbaren Benaresgewänder. Möge diese der Erhabene von mir annehmen, von Mitleid bewogen!«   Und der Erhabene nahm diese an, von Mitleid bewogen.
(Sutta Pitaka, Anguttara Nikaya, 5. Kapitel: mundarāja-vagga, A.V. 44)

An anderer Stelle proklamiert ein „Großminister“, der den Buddha und seine Jünger zu einem Mahl einläd:
Viel feste und weiche Speise wurde zubereitet und 1250 Fleischschüsseln, für jeden einzelnen Mönch werde ich eine einzelne Fleischschüssel hinbringen …“ 
(Vinaya Pitaka, Mahāvagga, MV.VI.16-30).

Im „Bhikkhu Pātimokkha“, d.h. in den „Regeln und Regelkommentaren des Hauptregelwerks der buddhistischen Bettelmönche“ werden als die fünf Hauptnahrungsmittel (bhojana / bhojaniya), die den Mönchen erlaubt sind, nicht nur solche pflanzlichen Ursprungs angeführt, sondern:
• Sieben Arten gekochter Getreidekörner (odana)
• Diese sieben Arten in anderweitiger Verarbeitung  (sattu)
• Gebackenes, das aus Gerste zubereitet wurde (kummāsa)
• Fleisch (maηsaη)
• Fisch (macchaη)
(Vinaya Pitaka, Pācittiyā Dhammā, 92 Regeln über eine Buße erfordernde Vergehen, Komm. zu Regel 35).


 Im Vinaya Pitaka des Pali-Kanons wird auch beschrieben, dass der Buddha den Verzehr von Fleisch Beschränkungen unterwarf. So sind 10 Arten von Fleisch genannt, deren Verzehr den Mönchen grundsätzlich verboten ist:  Menschen-, Elefanten-, Pferde-, Löwen-, Tiger-, Leoparden-, Bären-, Hyänen-, Hunde- und Schlangenfleisch. Der Buddha rügte in diesem Kontext einen Jünger, sich nicht der Herkunft des von ihm gegessenen Fleisches vergewissert zu haben (Vinaya Pitaka, Mahāvagga, MV.VI.16-30).

Zudem durfte ein Jünger Buddhas die Spende von fleischlicher Nahrung in drei Fällen NICHT zu sich nehmen, und zwar wenn er
  • gesehen hatte,
  • gehört hatte
  • oder vermutete, 
dass das Tier, dessen Fleisch ihm gespendet wurde, speziell für ihn geschlachtet worden war (Vinaya Pitaka, Mahāvagga VI.31-33, MV.VI.31 - 177. Licchavīvatthu  und  Sutta Pitaka, Majjhima Nikaya, Mittlere Sammlung 55. (VI,5) Jīvaka Sutta). In Anlehnung an diese Einschränkung wird das Fleisch, dessen Verzehr den Jüngern vom Buddha erlaubt wurde, als „dreifach untadeliges Fleisch“ oder „dreifach reines Fleisch“ (skt.: tri-koṭi-śuddha-māṃsa, chin.: 三净肉 san jing rou) bezeichnet.
Die Einschränkung kann auf zweierlei Weisen interpretiert werden: Befürworter des Fleischverzehrs vertreten die Ansicht, daß das Fleisch rein ist, solange das Tier für andere Menschen als den Jünger bzw. Mönch getötet wurde. Gemäß dem Verständnis jener, die den Verzehr von Fleisch ablehnen, ist (wenn überhaupt) das Fleisch nur dann rein, wenn das Tier eines „natürlichen Todes“ bzw. eines Todes ohne die willentliche Gewalteinwirkung eines Menschen gestorben war.

Das Augenmerk scheint bei dem Gebot, nur „dreifach reines Fleisch“ anzunehmen, vornehmlich auf der Erhaltung eines „reinen“ Geisteszustands des Jüngers zu liegen: keine Gier, kein Neid, keine Lust oder Unlust und auch keine anderen intensiven emotionellen Regungen sollten in ihm aufsteigen,- er sollte die Nahrung in einem unbewegten Geisteszustand zu sich nehmen. Diesen konnte der Jünger jedoch nur unter der Voraussetzung einhalten, dass er nicht wissentlich oder gar willentlich Verursacher oder Begünstigter der Gewalt gegenüber einem Lebewesen resp. seiner Tötung war. Das willentliche Töten oder Tötenlassen von Lebewesen ist mit der angestrebten Geistesruhe nicht vereinbar, verletzt es doch das Gebot der Gewaltfreiheit, eines der elementarsten Gebote des Buddhismus, das in einer klaren Anweisung des Buddha seinen Ausdruck findet:
Kein atmendes Wesen soll er töten oder töten lassen
Und billige es nicht, wenn andere töten.
Er lasse von Gewalt bei allen Lebewesen,
Bei starken und bei schwachen in der Welt.
(Sutta-Nipata, Dhammika-Sutta)
(4)
In gleichem Maß waren auch die Almosenspender gefordert, die buddhistischen Prinzipien zu respektieren, den Mönchen die Einhaltung der Gebote nicht zu erschweren und nicht speziell für sie ein Lebewesen zu töten. In der Jivaka-Sutra sagt der Buddha:
"Wer da, Jivako, um des Vollendeten oder Vollendeten Jüngers willen das Leben raubt,   der erwirbt zu fünf Malen schwere Schuld.
• Weil er da also befiehlt: 'Geht hin und bringt jenes Tier dort herbei!', darum erwirbt er zum erstenmal schwere Schuld. 
• Weil dann das Tier, zitternd und zagend herbeigeführt, Schmerz und Qual empfindet, darum erwirbt er zum zweitenmal schwere Schuld. 
• Weil er dann spricht: 'Geht hin und tötet dieses Tier!', darum erwirbt er zum drittenmal schwere Schuld. 
• Weil dann das Tier im Tode Schmerz und Qual empfindet, darum erwirbt er zum viertenmal schwere Schuld. 
• Weil er dann den Vollendeten oder des Vollendeten Jünger ungebührend laben läßt, darum erwirbt er zum fünftenmal schwere Schuld.
 „

(Sutta Pitaka, Majjhima Nikaya, Mittlere Sammlung, 55. (VI,5) Jīvaka Sutta)

Das Besondere an dieser Textstelle ist, daß hier explizit das „In-Auftrag-geben“ des Tötens als verwerflich geschildert wird, zudem in fünffacher Hinsicht. Ein nach der Lehre des Buddha lebender Laienanhänger war also ebenfalls aufgefordert, kein Lebewesen zu töten oder töten zu lassen. Folgerichtig unterlag er im Rahmen des „Achtfachen Pfades“der Verpflichtung zu „rechtem Lebensunterhalt“ (skr.: samyag ajiva, chin.: 正命), die die Ausführung bestimmter Tätigkeiten ausschloß. Im Korb der Lehrreden des Pali-Kanons erläutert der Buddha:
Fünf Arten des Handels, ihr Mönche, sollte der Laienjünger nicht ausüben. Welche fünf? Handel mit Waffen, Lebewesen, Fleisch, Rauschmitteln und Giften. Diese fünf Arten des Handels, ihr Mönche, sollte der Laienjünger nicht ausführen.
(Anguttara-Nikaya 5:177  - Vanijja Sutta)

So war der Laienanhänger von den wesentlichen Bereichen der Produktion von fleischlicher Nahrung ausgeschlossen: dem Handel mit Tieren, dem Schlachten der Tiere und dem Handel mit deren Fleisch.
(5)


Hinweise darauf, wie sich nach dem Hinscheiden des Buddha die Handhabung des Fleischverzehrs in den frühen buddhistischen Gemeinschaften gestaltete, sind rar. In der Frühgeschichte des Buddhismus gab es jedoch verschiedentlich Königreiche, in denen allgemein das Töten von Tieren zum Fleischverzehr stark beschränkt war und in denen man eine vegetarische oder gar vegane Lebensweise propagierte. Inwieweit sich daraus auf eine vegetarische/vegane Ernährungsweise in den buddhistischen Klöstern schließen läßt, sei dahingestellt.


Im dritten vorchristlichen Jahrhundert wurde von König Ashoka (304–232 v.Chr.), der den Buddhismus aus der Vielzahl an indischen Religionen heraushob und zur Staatsreligion deklarierte, der Fleischverzehr wenn auch anscheinend nicht grundsätzlich verboten, so doch starken Restriktionen unterzogen. Zum Bemühen, den Fleischverzehr an seinem eigenen Königshof zu unterbinden, ließ er in einem seiner Edikte festhalten:
Früher wurden in der Küche des Königs Devānampriya Priyadārsin täglich viele hunderttausend Tiere getötet, um Fleischragout zu bereiten. Jetzt aber zur Zeit der Abfassung dieses moralischen Ediktes werden nur noch drei Tiere getötet, um Fleischragout zu bereiten, zwei Pfauen und eine Antilope und auch diese Antilope nicht regelmäßig. Aber auch diese drei Tiere sollen künftig nicht mehr getötet werden.
(Auszug aus dem 1. Felsenedikt des Königs Ashoka, in der Übersetzung von Wolfgang Schuhmacher)

(6)
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Der berühmte chinesische Mönch Faxian (法显), einer der frühen chinesischen „Indienpilger“, der zwischen 399 und 412 von China nach Indien reiste, schilderte in seinem „Bericht über die buddhistischen Länder" ("佛国记" fóguójì) seine Eindrücke von „Zentralindien“ (中天竺  zhong tian zhu), dem Heimatland des Buddhismus, wie folgt:
Im ganzen Land wird von den Menschen weder ein Lebewesen getötet, noch Alkohol getrunken, noch Zwiebeln und Knoblauch verzehrt. Die einzige Ausnahme sind die „Chandalas“, das ist der Name für die üblen Menschen, ….  In diesem Land werden keine Schweine und kein Geflügel gehalten, und sie verkaufen kein lebendes Vieh. Auf den Märkten gibt es keine Metzgereien und keine Spirituosenhändler.“ 
举国人民,悉不杀生,不饮酒,不食葱蒜, 唯除 旃荼罗,旃荼罗 名为恶人,….. 国中不养猪鸡,不卖生口,市无屠店,及沽酒者。
(高僧法显传  gaoseng faxian zhuan)

Hier wurde das Töten von Tieren also einer Gruppe von „niedrigen, üblen“ Menschen überlassen, den „Chandalas“, die die unterste Gesellschaftsschicht darstellten und sich mit Klangzeichen erkennbar geben mussten, wenn sie sich in einer Stadt aufhielten. Aus Faxians Beschreibung ist nicht ersichtlich, ob sich die buddhistischen Gläubigen jenes Landes nur des Tötens von Tieren oder auch des Verzehrs ihres Fleisches enthielten. 




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Mit der weiteren Ausbreitung des Buddhismus über den indischen Kulturkreis hinaus wurden die ursprünglichen Regeln und Grundsätze zu Nahrungsbeschaffung und -verzehr den in den jeweiligen Regionen und Kulturen vorgefundenen Gegebenheiten angepasst. Bis heute verüben in den Ländern, in denen vorrangig der Theravada-Buddhismus praktiziert wird – Sri Lanka, Myanmar, Thailand, Kambodscha, Laos - die Mönche wie zu Buddhas Zeiten morgens ihre Almosengänge und folgen in Bezug auf die Speisen im Großen und Ganzen den ursprünglichen Regeln. In den Ländern, in denen überwiegend die Vajrayana-Richtung des Mahajana-Buddismus ausgeübt wird,- Tibet, Bhutan und Mongolei,- leben die Mönche nicht mehr von Almosengängen. Der Fleischkonsum ist ihnen jedoch seit jeher erlaubt und üblich, mit dem Hinweis auf ein durch natürliche Gegebenheiten eingeschränktes Nahrungsangebot. In diesem Jahrtausend scheint sich nun eine Wende anzubahnen: zwei der zur Zeit weltweit prominentesten Führer tibetischer Schulen, der Dalai Lama Tendzin Gyatsho und der Karmapa Orgyen Trinle Dorje, wie auch andere außerhalb von Tibet lebende hochrangige Würdenträger des tibetischen Buddhismus propagieren heute intensiv den Vegetarismus.


Der chinesische Buddhismus ging – wie so oft - eigene Wege. Eine vegetarische/vegane Ernährungsweise wurde schon früh in den han-buddhistischen Klöstern Chinas eingeführt, und bis heute wurde sie beibehalten. Zudem enthält man sich konsequenterweise auch der Verwendung jeglicher durch die Tötung eines Tieres entstanden Materialien, wie Leder, Felle etc. Durch die Verbreitung des chinesischen Chan-Buddhismus gelangte die Tradition der vegetarischen Ernährung auch nach Japan und Korea. In Japan führte 676 der Kaiser Tenmu das Vebot des Fleischverzehrs ein, und 1127 trat das Verbot des Fischfangs in Kraft. Mit der „Erneuerung“ Japans unter Kaiser Meiji und der Öffnung gegenüber westlichen Gepflogenheiten wurden um 1868 diese Verbote wieder aufgehoben. In Japan wie auch in Korea, das eine in Bezug auf buddhistischen Vegetarismus wechselhafte Geschichte aufweist, wird heute in Abhängigkeit von der jeweiligen buddhistischen Schule, der das Kloster bzw. der einzelne Mönch folgt, eine vegetarische/vegane oder eine Fleisch und/oder Fisch beinhaltende Ernährungsweise eingehalten.

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Bilder Nr. 1 bis 5 sowie 8 und 9: copyright by H. Kopp-Delaney, Veröffentlichung mit seiner freundlichen Genehmigung. Einen besonderen Dank an ihn für seine Großzügigkeit! Mehr von seiner Kunst unter folgendem Link: Kopp-Delaneys Fotostream und auf  Kopp-Delaneys Webseite.

Bilder Nr. 7 und 8: download von baidu-baike 百度百科


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1.11.2011 - copyright yss
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Shaolin-Tempel -
Vor der Küchentür


... knocking on heaven's door ...

"Hörst du die Töpfe scheppern?"


Versuchter Einbruch ....


Knurrende Mägen

Smalltalk mit Schüsseln und Stäbchen

Einlass


Mönchsdisziplin


Heiss und begehrt





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Letzte Änderung: 31.10.2011
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