Die Ordinationsversammlung im Shaolin-Kloster 2010
  Teil 2:  Übermittlung der Mönchsregeln

少林三坛大戒 法会 的 过程   *** 比丘戒


 Die  buddhistische Mönchsordination wird in China im Rahmen der "Dharmaversammlung zur Übermittlung der großen Regeln der drei Plattformen"  (传授三坛大戒法会) durchgeführt. Diese ist in drei Ebenen gegliedert, die als "Plattformen" oder "Altare" bezeichnet werden: die Ebene der Novizenregeln, jene der Mönchsregeln und jene der Bodhisattva-Regeln.  
Im Shaolin-Kloster findet die Ordinationsversammlung seit 2007 im Intervall von drei  Jahren statt und erstreckt sich jeweils über ca. einen Monat. Sie zählt zu den umfangreichsten und wichtigsten buddhistischen "Events" des Klosters: Hunderte von Ordinanden und zahlreiche Gäste reisen aus ganz China und  zunehmend auch aus dem Ausland an, um an ihr teilzunehmen.

Dem besseren Verständnis dieses bedeutenden Ereignisses soll diese Erläuterung der Ordinationsversammlung von 2010 dienen. Sie folgt dem chronologischem Ablauf der Aktivitäten und veranschaulicht sie anhand von Fotografien des Shaolin-Klosters. Der Zeitraum von der Vorbereitung der Ordinationsversammlung bis zum Empfang der Novizengebote ist Thema des ersten Teils der Erläuterungen, er ist unter nachstehendem Link zu finden:  (Shaolin-Ordination - Teil 1)

Im Folgenden ist nun der Zeitabschnitt vom Erhalt der Novizenregeln bis zur Übermittlung der Mönchsregeln  beschrieben:




2. Mai / 10. Tag


Am Vormittag erfolgt die rituelle Bitte um die Übermittlung der Mönchsregeln (乞比丘戒). Den ersten Teil des Nachmittags verbringen die Novizen mit dem Erlernen und Einüben der buddhistischen  Etikette (明习仪), hier wird das schon in der Vorbereitung auf den Erhalt der  Novizenregeln Erlernte erweitert und vertieft. Diesem Unterricht schließt sich eine Lektion über die Herkunft und Entwicklung der Mönchsregeln an (教发戒缘). 
Der Abend dient dem Lernen von Rezitationen in Sanskrit  (教梵唱).


Der Älteste Chuanyin hält eine Ansprache








Rezitation in der altehrwürdigen 'Halle der Tausend Buddhas" (千佛殿)



3. Mai / 11. Tag


Die Novizen, die den Wunsch haben, die vollständigen Regeln zu erhalten,  brauchen gemäß den Bestimmungen zur Mönchsordination die Gesamtheit der drei führenden Lehrer: Präzeptor (得戒和尚 dejiè héshàng), Karmacarya (羯磨师 jiémó shī)   und Katechist (教授师 jiàoshòu shī, wörtlich: „Professor-Lehrer“). Doch die große Verantwortung für die zwei wesentlichsten Elemente der Ordination,- der Beichte/Buße und des Unterrichtens der Regeln -, liegt auf zwei Lehrern, dem Karmacarya, der unter anderem für die Beichte zuständig ist, und dem Katechisten, verantwortlich für den ausreichenden und sachkundigen Unterricht der Ordinanden. Der Umstand, dass dieses Mal die zwei Lehrer nicht erneut um die Aufnahme ihrer Tätigkeit gebeten werden müssen, trägt eine eigentümliche Bezeichnung: „Zwei Lehrer, allgemein klar“  (通白二师 tōngbái èr shī).



Das Thema des Unterrichts am Nachmittag lautet "Lehre von Name und Aussehen des Gewandes und der Essschale“ (衣钵名相法). Dieser Unterricht wird von dem Ältesten Shaoyun erteilt,  Unterrichtsort ist die Buddhahalle. Die in Reihen angeordneten Ordinanden erwarten schon den Meister: aufrecht stehend, in das siebenteilige Gewand gekleidet, halten sie mit beiden Händen das fünfteilige Gewand, das „große Gewand“, das Tuch für Niederwerfungen und die Essschale. Die Trommel erklingt dreimal. Der Zeremonienmeister (引礼师) und einige der Ordinanden empfangen den Ältesten Shaoyun und bitten ihn, in die Halle einzutreten. Nach dem Rauchopfer, einer kurzen Rezitation und der Ehrerweisung für den Buddha, setzt sich der Älteste. Die Ordinanden breiten ihren Tücher aus, führen die dreimalige Niederwerfung durch und verharren kniend, mit aneinander gelegten Handflächen.












Am Abend folgt eine Zeremonie für die Verstorbenen und für die Freilassung der Geister.



4. Mai / 12. Tag


Die heutigen buddhistischen Aktivitäten bestehen unter anderem in der "Prüfung (der Einhaltung) der Regeln und Beichte"  (审戒忏悔) und der Dharma-Rede des Ältesten Shaoyun (上堂教法) am Vormittag sowie weiterer Unterweisung der Novizen am Nachmittag.

Die Prüfung der Einhaltung der Regeln und das Bekennnis von Regelverstößen  erfolgen nicht unter vier Augen, sondern vor der versammelten Gemeinschaft. Sie beinhaltet die direkte Befragung nach den „13 schweren, ernsten“ (十三重难) und den 16 „leichteren, verschleierten“ (十六轻遮) Regelverstößen. Von diesen Regeln sind die in den 10 Novizenregeln (沙弥十戒) enthaltenen Regeln die wichtigsten. Deshalb wird der Novize zu ihrer Einhaltung besonders eindringlich befragt: jede dieser Regeln wird einzeln angeführt, und jedesmal muss der Novize wahrheitsgemäß antworten, ob oder ob er nicht gegen diese Regel verstoßen hat.

Bekennt der Novize einen Verstoß gegen die ersten vier Novizenregeln, die bedeutenden Regeln grundlegender Natur, wird dieses von dem Kloster-Sekretär in einem Buch aufgezeichnet und am nächsten Tag dem Präzeptor (德戒和尚) berichtet, der über ein weiteres Vorgehen entscheidet. Gibt es einen Verstoß gegen die übrigen sechs Novizenregeln, die zu den „leichteren Regeln“ zählen, deren Bruch als „bereubar“, als „reparabel“ gilt, so ist es die Aufgabe des Karmacarya, unverzüglich anhand festgelegter Vorschriften zu bestimmten, in welcher Art und Weise die Buße erfolgen soll.









Begrüßung des Ältesten Shaoyun (绍云长老), der zur Halle aufsteigt, um dort den Dharma zu lehren (上堂教法)

Die rituelle Darbietung kurzer Räucherstäbchen



  





5. Mai / 13. Tag


Für den Vormittag sind zwei Aktivitäten vorgesehen: die "Bitte an die zehn Lehrer" (请十师) und die Einladung der "Zehn Lehrer" zum Essen (请供十师斋). Das Gremium der "Zehn Lehrer" bildet das für die Ordination notwendige "personelle Gerüst". Es besteht aus drei Hauptverantwortlichen, den "Drei Lehrern" (三师), die auch nach der Bezeichnung für hochrangige Lehrer in Sanskrit (ācārya)  die "Drei Acharya" (三阿闍黎) genannt werden, und den "Sieben Zeugen"  (七证).
Die "Bitte an die Lehrer" bedeutet, dass die Ordinanden, um erneut ihren Respekt vor den Lehrern zum Ausdruck zu bringen, diese ein weiteres Mal um Übernahme bzw. Beibehaltung ihrer Funktion bitten: den Ältesten Chuanyin als Präzeptor, den  Ältesten Jingliang als Karmacarya und den Ältesten Shaoyun als Katechist. Der Zeremonienmeister (引礼师) spricht hierfür den betreffenden Satz und die Ordinanden wiederholen ihn, so werden die drei Bitten vorgetragen.
 



Anschließend laden die Ordinanden die "Zehn Lehrer" zu einem Essen ein, um ihnen gegenüber ihre Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen. Dies ist ebenfalls ein hochritualisierter Vorgang, der einer detaillierten "Choreografie" folgt. In seinem Verlauf knien die zwei von der Gemeinschaft der Ordinanden als Repräsentanten gewählten Novizen, die "Ordinanden-Kopf" ( 头) und Ordinanden-Schwanz"  (尾) genannt werden, unter einem Tablett, über das drei Ess-Schalen mit Speisen gehalten werden. So wird die Einladung zum Essen auch bildhaft zum Ausdruck gebracht.


Der Älteste Chuanyin (传印长老), Präzeptor


Der Älteste Jingliang (净良长老), Karmacarya


Der Älteste Shaoyun (绍云长老), Katechist

Die "Sieben Zeugen" (七证)






Am Nachmittag ist eine Zeitspanne ohne größere gemeinsame Aktivitäten wie Zeremoniell oder Unterricht einberaumt, damit wieder Frieden und Stille einkehrt (回复清净). Die Novizen scheren sich die Köpfe und baden (剃发沐浴), entspannen und versammeln sich für ein Gruppenfoto:
 
Die "10 Lehrer" mit den Ordinanden



6. Mai / 14. Tag

 An diesem Tag beginnt das zentrale Ereignis der Ordinationsversammlung: die "Drei Lehrer" geben die Mönchsregeln an die Novizen weiter, dies wird "Die korrekte Übermittlung der Mönchsregeln" (正授比丘戒) genannt. Eine neue Mönchsgeneration entsteht, die nach der Lehre des Buddha lebt, sie in die Zukunft trägt, ihr Fortbestehen sichert. Am Abend schließt sich die gemeinsame Verehrung der Buddhas und das Bereuen schlechter Tatengänge (Denken, Sprechen, Handeln) an.


Respektvolle Begrüßung der "10 Lehrer"


Die 10 Lehrer vor dem Altar


Die Ordinanden bitten die "Drei Lehrer" um den Erhalt der Mönchsregeln

Die "10 Lehrer" erweisen im Altarbereich dem Buddha ihre Verehrung


Die knienden Ordinanden lesen laut den für den Erhalt des Mönchsgewandes erforderlichen Text
Die Befragung nach "verdeckten Schwierigkeiten", d.h. nach noch nicht bekannten schlechten Taten




















Die "Drei Meister" übergeben die Mönchsregeln

Die Novizen erhalten die Mönchsregeln






7. und 9. Mai / 15. und 16. Tag


Die rechte Übermittlung der Mönchsregeln wird fortgesetzt,- mehrere Tage wird es in Anspruch nehmen, bis alle Ordinanden die Mönchsregeln erhalten haben. An den frühen Abenden versammeln sich alle zu weiteren Unterweisungen in die Mönchsregeln.

Die Tage klingen jeweils mit der gemeinsamen Ehrung aller Buddhas und Bodhisattvas und Niederwerfungen sowie stillschweigendem Bekennen und Bereuen früherer schlechter Taten, Reden und Gedanken aus. Dies trägt die Bezeichnung „Ehrerweisung und Niederwerfung“ (礼拜) sowie „Bekennen und Bereuen“ (忏悔), in Kurzform „Ehrung und Reue“ (礼忏). Die Ehrung des Buddhas, die Verbeugungen, das Rezitieren von Sutren etc. dienen hierbei auch als Mittel zur Läuterung, zur Buße.


  



Antritt zum offiziellen Erhalt der Mönchsgewandung (受衣)
Offizielle Bitte um das Mönchsgewand

  






Befragung nach "verdeckten Schwierigkeiten" (问遮难)


 
Verehrung der Vorfahren/ Patriarchen  (礼拜祖师)

  




























9. Mai / 17. Tag

Zu den heutigen Ereignissen zählen am Vormittag das Vortragen von Lobpreisungen und Hymnen (结赞) sowie die Übertragung der daraus entstandenen Verdienste zum Wohl aller Lebewesen (回向). Die chinesische Bezeichnung für die Verdienstübertragung, „回向“ bedeutet Umkehr, Rückkehr in eine bestimmte Richtung; die Bezeichnung in Sanskrit lautet „parinama“. Die karmischen Verdienste, die man durch das Kultivieren seiner „guten Wurzeln“ (善根), d.h. der eigenen guten Anlagen, erworben hat, kann man auf alle Lebewesen zu deren Wohl übertragen. Hier sind diese Verdienste durch die Rezitation bzw. den Gesang der Lobpreisungen und Hymnen erworben. Die Übertragung der Verdienste auf andere Lebewesen entspricht dem Bodhisattva-Ideal im Mahayana-Buddhismus, allen Lebewesen zur Buddhaschaft zu verhelfen.  Oft werden diese Verdienste auch auf die Verstorbenen, um die man trauert, übertragen, sodass sie deren Karma zugute kommen, meist in Hinblick auf eine günstige Wiedergeburt. Die Übertragung auf Verstorbene erfreut sich im Zusammenhang mit der in China weit verbreiteten Ahnenverehrung großer Beliebtheit.
 Am Abend folgt das "Große Gelöbnis" (发愿), d.h. das Gelöbnis, gemeinsam mit allen fühlenden Lebewesen die Buddhaschaft zu erlangen, und eine Inspektionsrunde (巡寮).

Die spezielle Art, das für die Niederwerfungen benötigte Tuch in den Händen zu halten
Die "Drei Lehrer"
Niederwerfung auf den ausgebreiteten Tüchern









Unterweisung in die Mönchsregeln




10. Mai / 18. Tag


Am Morgen um acht Uhr erhalten alle Ordinanden in der großen „Halle der Fünf Betrachtungen“ (Speisehalle) des Shaolin-Klosters erneut Unterricht im „Vierteiligen Vinaya“ (四分律). „Vierteiliger Vinaya“ ist die Bezeichnung für das vierteilige Regelwerk, das die in den han-chinesischen Klöstern geltenden Mönchregeln nach der Dharmaguptaka-Tradition enthält. 

   

   







Um 14:00 Uhr besucht der Generalsekretär der Buddhistischen Vereinigung Chinas, Wang Jian (中国佛教协会秘书长王健), die Ordinanden und wird vom Abt des Shaolin-Klosters, Shi Yongxin,  freundlich empfangen.




11. Mai / 19. Tag


Der Unterricht im „Vierteiligen Vinaya“ wird fortgesetzt, sowohl am Morgen wie auch am Nachmittag. Am Vormittag um 10:30 Uhr gibt es, als willkommene Abwechslung, eine von Laien gespendete Mahlzeit. Wang Ding (王鼎), Wang Zexian (王则先) und drei weiteren Laien aus Wuhan (武汉市),der Hauptstadt der Provinz Hubei (湖北省), wurde die Ehre zuteil, in der Halle ein Essen für die Mönche auszurichten. Weil sie damit zur Nährung der „Drei Schätze“,- Buddha, Dharma, Sangha -, beitragen, werden die Spender auch als „Dharma-Beschützer“ (护法居士) bezeichnet.
Den Erläuterungen der Mönchsregeln schließen sich am Abend wieder die Verehrung der Buddhas und die Bereuung schlechter Taten an.



12. Mai / 20. Tag


Am Morgen folgen die neuen Mönche dem Beispiel des Buddha und gehen Almosen sammeln (托钵乞食). Im und vor dem Klostergelände haben sich mehr als 2000 buddhistische Laien aufgereiht, um ihnen ihre Gaben in die Almosenschalen zu legen. Die Spenden sind dermaßen reichlich, dass die Mönche sie in ihre Taschen umfüllen müssen, um allen Spendern gerecht zu werden und ihnen die Möglichkeit zu geben, karmische Verdienste zu erwerben.
Der Nachmittag ist wieder dem Unterricht im „Vierteiligen Vinaya“ gewidmet, der Abend wieder der Buddha-Ehrung und dem Bereuen.





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13. Mai / 21. Tag


Der gesamte Tag ist dem letzten Unterricht im „Vierteiligen Vinaya“ vorbehalten. Damit ist der zweite Abschnitt der Ordinationsversammlung, der zum Erhalt der Mönchsregeln führt, abgeschlossen. Der  Abend klingt mit der Ehrung der Buddhas und dem Bereuen aus. Am folgenden Tag beginnt der letzte Teil der Ordinationsversammlung, der die Übergabe der Bodhisattva-Regeln zum Ziel hat.




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Fotografien: © copyright Songshan Shaolin Tempel, Henan, China -- Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Shi Yankai.



Die Inhalte dieses Artikels folgen größtenteils den Erläuterungen der Homepage des Shaolin-Klosters, sie wurden von mir nach bestem Wissen und Gewissen auf ihren Wahrheitsgehalt hin geprüft und erstellt. Letztendlich geben sie meine Reflektion der Dinge wieder. Ein besonderer Dank gebührt Shi Yong Chuan, dem Abt des Shaolin-Tempels Deutschland, für seine unermüdliche Hilfe.


19.04.2013 - yss
Letzte Änderung: 12.05.2013
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